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Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi

Titel: Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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eine komplette Armee, die einem wohlüberlegten Plan folgte. Doch die große Menge an Menschen verlieh ihnen auch Anonymität und Sicherheit, und hinzu kam, dass niemand gern eine Arbeit wie diese verrichtete. Ganz gleich, wie freudig die Machdiji ihre Leben auch in die Waagschale werfen mochten, es war eine schreckliche Aufgabe, gefallene Kameraden zu beerdigen. Keinem der Männer war nach Reden zumute, und keinem der anderen danach, sie bei ihrer Arbeit zu stören oder auch nur zu genau hinzusehen. Es fiel Abu Dun und ihnen nicht schwer, sich unbehelligt über das riesige Gräberfeld zu bewegen und dabei unauffällig alles an Informationen zu sammeln, was sie brauchten. Sharif und seine Janitscharen, das wurde Andrej mit erschreckender Deutlichkeit klar, hatten nicht einmal den Hauch einer Chance, ganz egal, wie gut sich der Hauptmann auch in der Nähe seiner alten Heimat auskennen mochte und welch gute Deckung oder Verstecke sie auch fanden. Die Übermacht war zu gewaltig. Je mehr Krieger eintrafen, desto überzeugter war Andrej davon, dass die Hauptaufgabe dieses Heeres nicht darin bestand, Sharifs kleines Häuflein auszulöschen. Vielleicht war es überhaupt nie Sinn dieses Aufmarsches gewesen, und vielleicht hatte die unglückselige Elisa einfach das Pech gehabt, im falschen Moment am falschen Ort zu sein.
    Abu Dun schien wohl zum gleichen Schluss gelangt zu sein, denn sie waren noch nicht lange mit ihrer grausigen Tätigkeit beschäftigt, und er bemühte sich gerade mit wenig Erfolg, so zu tun, als brauchte er all seine Kraft, um allein einen der reglosen Körper in ein flaches Grab zu legen. »Das wird deinem neuen Freund, dem Hauptmann, gar nicht gefallen«, ächzte er. »Wir sollten möglichst unauffällig von hier verschwinden und ihm die frohe Kunde bringen, bevor sie es selbst tun.« Andrej schüttelte zur Antwort nur stumm den Kopf und versuchte unauffällig, alle Einzelheiten der Umgebung aufzusaugen. Es war nicht ihre Aufgabe, die gegnerischen Truppen auszuspionieren, aber er war viel zu lange und viel zu sehr Krieger, um aus seiner Haut zu können. Und das, was er sah, bestätigte ihm nur: Sharif und alle, die bei ihm waren, waren bereits tot. Sie wussten es nur noch nicht. Und es ging Abu Dun und ihn auch nichts mehr an. Sharif hatte sie aus einem anderen Grund hierher geschickt.
    Die Sonne ging endgültig auf, und als sie zum Morgengebet niederknieten und die Gesichter nach Mekka wandten, hatten sie das jenseitige Ende des improvisierten Gräberfeldes fast erreicht und waren nur einen Steinwurf von Muridas Zelt entfernt. Andrej hütete sich, zu genau hinzusehen, aber er kam dennoch nicht umhin zu bemerken, dass das dunkelhaarige Mädchen nicht die einzige Frau war, die sich den Aufständischen angeschlossen hatte. Das allein war nichts Besonderes, wie er schon in Konstantinopel festgestellt hatte, doch er war erstaunt, dass Murida auch nicht die einzige Frau war, an deren Gürtel ein Schwert hing. Abu Dun und er waren schon mehr als einer Frau begegnet, die besser mit der Klinge umzugehen wusste als die allermeisten Männer … aber hier, ganz offen und vor aller Augen? Er war immer gespannter darauf, den Machdi persönlich kennenzulernen und ihm die eine oder andere Frage zu stellen. Vielleicht auch mehr als nur eine. Der Mann, der die Aufgabe des Muezzin übernommen hatte, beendete das Morgengebet mit einem Laut, der Andrej Anlass zu der Vermutung gab, er litte unter enormen Schmerzen, woraufhin die Männer und Frauen sicherhoben und ihre Tätigkeiten wieder aufnahmen, als wäre nichts geschehen. Auch Abu Dun ging zu einem der einfachen zweirädrigen Karren, auf denen die Machdiji ihre Toten hergebracht hatten, und lud sich einen weiteren Leichnam auf die Arme. Wie schon zuvor schüttelte er nur den Kopf, als Andrej ihm helfen wollte, und wie schon zuvor gab er sich redlich Mühe, den Eindruck zu erwecken, das Gewicht des leblosen Körpers lastete schwer auf ihm.
    Als Abu Dun den Toten in das flache Grab legte und ihn kurzerhand mit den bloßen Händen mit Erdreich und Sand zu bedecken begann, beobachtete Andrej, wie seine Finger fast unbemerkt unterdessen Kleidung und in dessen Taschen glitten und sie gründlich durchsuchten.
    Er hütete sich, ihn zur Rede zu stellen – sie hielten sich so weit abseits der anderen Männer, wie es ihm gerade noch möglich schien, ohne aufzufallen, aber man konnte nie wissen-, warf ihm aber einen so zornigen Blick zu, dass Abu Dun sich zu einem dümmlichen

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