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Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi

Titel: Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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ihm, und aufgeregte Stimmen umschwirrten sie wie eine Wolke zorniger Insekten. Die Schüsse waren nun weniger und weiter weg. Er roch Blut, verschmortes Fleisch, brennendes Segeltuch und Holz. Man zerrte sie aus dem Wasser und in eines der kleinen Boote, und Andrej musste sich hastig zur Seite rollen, um nicht unter fünf Zentner reglosem Nubier begraben zu werden. Nichts hätte er lieber getan, als einfach die Augen zu schließen und wenigstens für ein paar Momente auszuruhen, doch stattdessen rappelte ersieh auf die Knie, beugte sich über Abu Dun und schlug ein paar vorwitzige Hände zur Seite, die nach dem Nubier greifen wollten, Als er Abu Dun mühsam auf den Rücken drehte, färbten sich seine Hände rot. Frisches Blut. Abu Duns gequältes Stöhnen war nicht nur der Atemnot und dem brackigem Wasser geschuldet, das er geschluckt hatte. Aus der Stichwunde an seiner Seite quoll Blut, und als er die Hand darauf presste, um die Blutung zu stillen (und allzu neugierige Blicke abzuwehren), spürte er, wie schnell und ungleichmäßig sein Herz schlug.
    »Er ist noch am Leben?«
    Andrej entging weder der überraschte Ton in Sharifs Worten noch das unruhige Murren und Raunen, das sich unter den anderen Männern breitmachte. Abu Dun verlor viel zu viel Blut. Das Wasser unter ihm färbte sich rosa, und sicherlich hatten die Männer auch gesehen, dass er von ihren Musketenschüssen getroffen worden war, wenn auch vermutlich nicht, wie oft. »Ja«, knurrte er mit einiger Verspätung. »Ich hoffe doch, Ihr seid jetzt nicht zu sehr enttäuscht, Hauptmann.« Blitzschnell streckte er die Hand nach einem der Männer aus, riss ihm den Turban vom Kopf und versuchte so etwas wie einen Verband daraus zu improvisieren, ohne dass es wirklich viel nutzte. Allenfalls wurde Abu Duns Stöhnen noch etwas lauter. »Gebt ihm Kat«, sagte Sharif. »Es wird ihn nicht retten, aber vielleicht seine Schmerzen lindern.« Andrej schenkte ihm nur einen bösen Blick, doch Abu Dun tastete unbeholfen unter seinen Mantel. Andrej half ihm und zog den aufgeweichten Beutel mit seinem Vorrat an Kat-Blättern heraus. Er war zerrissen, vielleicht von einer der zahlreichen Kugeln gestreift, die den Nubier getroffen hatten, und Abu Duns Finger zitterten so stark, dass er die Hälfte der Blätter verlor. Während er sich den Rest zwischen die Zähne schob und mit halb offenem Mund schmatzend zu kauen begann, tastete er mit der anderen Hand nach den fallen gelassenen Blättern, zerquetschte sie zu einem nassen Brei und versuchte sie unter den improvisierten Turban-Verband zu schieben, was ihm aber erst mit Andrejs Hilfe gelang. Und die Blutung ließ nach.
    »Es tut mir wirklich leid, Andrej«, sagte Sharif, während er sich – wohlweislich gerade außerhalb seiner Reichweite – in die Hocke sinken ließ. »Euer Freund hat tapfer gekämpft.«
    »Und das wird er auch weiter«, sagte Andrej scharf. Wenigstens hoffte er es, aber ganz sicher war er nicht mehr. Abu Duns Herz begann zu rasen, und an seinem Hals pochte eine dicke Ader. Trotzdem fuhr er fort: »Freut Euch nicht zu früh, Hauptmann. Nicht, dass Ihr genauso enttäuscht werdet wie in Konstantinopel.« Die Worte taten ihm schon leid, bevor er sie ganz ausgesprochen hatte, zumal er sah, wie sehr sie Sharif trafen. Er hatte nicht den mindesten Grund, auch nur die geringste Rücksicht auf den Janitscharenhauptmann zu nehmen, doch es widerstrebte ihm, ihn unnötig zu verletzen. Sharifs Antwort war dann auch scharf, vom gerechten Zorn eines Mannes erfüllt, der sich ungerecht behandelt fühlt. »Ich will nicht, dass erstirbt«, sagte er. »Jetzt so wenig wie in Konstantinopel. Im Gegenteil. Der Verlust eines solchen Kämpfers ist ein schwerer Schlag für unser Unternehmen. Aber er ist zu …« Er brach ab, und ein Ausdruck irgendwo zwischen Erstaunen und nur der Logik geschuldetem Zweifel erschien auf seinem Gesicht. Zögernd, fast als rechnete er damit, von Andrej gewaltsam daran gehindert zu werden, streckte er den Arm aus und hob Abu Duns nassen Mantel an, sodass ein kreisrundes daumendickes Loch darin sichtbar wurde, wo ihn eine Musketenkugel getroffen hatte. Verwirrt suchte er nach der Wunde in Abu Duns Brust und sah dann bestürzt aus, als er sie nicht fand. Dann blickte er auf und starrte Andrej an, und aus der Bestürzung wurde blankes Entsetzen. Andrej musste sich beherrschen, um nicht die Hand zu heben und seine

Wange zu bedecken, die längst wieder genauso unversehrt war wie Abu Duns ebenholzfarbene

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