Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi
trennten – erwartete sie vielleicht, dass er den Kavalier spielte und ins Wasser watete, um sie trockenen Fußes an Land zu tragen? –, hob dann trotzig die Schultern und sprang in das kniehohe Wasser hinab, dass es nur so spritzte.
Andrej wich nur um zwei Schritte zurück und ignorierte das zornige Aufblitzen ihrer Augen. Er sollte wütend auf sie sein. Er wollte wütend auf sie sein, aber es gelang ihm einfach nicht. »Wenn ich dir mein Wort gebe, mit deinem Machdi zu reden, versprichst du mir dann, dass dieses sinnlose Töten aufhört?«, fragte er. »Es ist nicht mein Machdi«, antwortete Murida betont, »und wer bin ich, in seinem Namen zu reden? Keiner dieser Männer dort ist sinnlos gestorben. Manchmal muss man wenige töten, um das Leben vieler zu retten.« Andrej spürte einer Bewegung im Wasser hinter ihr und griff nun doch zu, um sie so derb auf das Ufer heraufzuziehen, dass sie das Gleichgewicht verlor und gegen ihn stolperte. Unwillkürlich hielt sie sich mit beiden Händen an seinen Schultern fest, und ihr Kopftuch verrutschte, sodass sich ihr Haar über seine Schultern und sein Gesicht ergoss. Ein unerwartet heftiges Prickeln durchlief ihn, durchaus angenehm, aber in diesem Moment alles andere als willkommen. Murida schien auch noch weiter um ihr Gleichgewicht zu fürchten, denn sie ließ ihn nicht nur nicht los, sondern klammerte sich ganz im Gegenteil sogar noch fester an ihn. Ihr Gesicht war ihm so nahe, dass er für eine Sekunde vollkommen hilflos war und nicht wusste, wie er reagieren sollte. Wenigstens so lange, bis ihm klar wurde, was sie da tat. »Lass das«, sagte er schroff. Murida blinzelte ein paarmal übertrieben. »Was?« Sie war eine miserable Schauspielerin. »Du weißt genau, was ich meine.« Andrej schob sie beinahe grob auf Armeslänge von sich weg und wich vorsichtshalber ihrem Blick aus. »Für so etwas haben wir jetzt keine Zeit.«
»Was genau meinst du mit so etwas, Ungläubiger?«, wollte Murida wissen. »Du bildest dir doch nicht etwa ein, dass –?«
Andrej packte sie ganz bewusst fest genug am Arm, um ihr ein bisschen (nicht sehr) wehzutun und schleifte sie hinter sich her die Uferböschung hinauf und zu Sharif. Er war nicht schwer zu finden, obwohl der schmale bewachsene Streifen am Ufer von Männern wimmelte, die das ohnehin kärgliche Grün zertrampelten, denn er war in einen heftigen Streit mit Fernandes verwickelt. Allerdings unterbrach ersieh sofort, als er Murida und ihn sah, und brachte den Spanier mit einer rüden Handbewegung zum Verstummen. »Es ist gut, Capitan Wir besprechen die Angelegenheit später.« »Aber Ihr könnt nicht –«
Die Geste, mit der Sharif ihn jetzt unterbrach, wirkte drohend. Aber er sagte nichts mehr, sondern sah zuerst Andrej und dann eine Winzigkeit länger Murida an, bevor er nickte und mit einem Fingerschnippen zwei Janitscharen herbei befahl. Andrej konnte sich einer gewissen Schadenfreude nicht erwehren, als er sah, dass es dieselben Männer waren, die Murida schon auf dem Schiff bewacht hatten. »Kümmert euch um die Tochter des Sultans«, sagte er. »Schlagt ein Zelt für sie auf. Und achtet diesmal darauf, dass sie es wirklich nicht verlässt!« »Hauptmann!«, polterte Fernandes, »ich bestehe darauf, dass Ihr –«
»Und bringt dem Capitan etwas zu essen und einen kräftigen Schluck Wein«, fuhr Sharif mit leicht erhobener Stimme fort, ohne Fernandes anzusehen. »Mir scheint, er kann ihn brauchen.«
Fernandes presste die Kiefer so fest aufeinander, dass Andrej sich zumindest einbildete, seine Zähne knirschen zu hören, und stürmte davon. Sharif musste nur einen ungeduldigen Blick auf Murida werfen, damit die beiden Janitscharen sie in die Mitte nahmen und das heftig protestierende Mädchen wegführten. »Danke, dass Ihr Euch um sie gekümmert habt, Andrej«, sagte Sharif. Unmöglich zu entscheiden, ob diese Worte spöttisch gemeint waren oder nicht. »Und es ist auch gut, dass Ihr kommt.«
»Was ist mit Fernandes?«, fragte Andrej. Der Spanier war längst außer Sichtweite, aber Andrej konnte ihn immer noch hören-auch wenn er es vorzog, seine Worte nicht zu verstehen.
»Es gab da nur eine kleine Meinungsverschiedenheit, was den Umfang unseres Kontraktes angeht«, antwortete Sharif, »und seiner Laufzeit. Aber ich glaube, im Moment habe ich noch die besseren Argumente. Und«, fuhr er deutlich lauter fort, als Andrej etwas sagen wollte, »im Augenblick auch ein größeres Problem. Mit Eurem Freund, Andrej.«
»Abu Dun?
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