Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi
Was ist mit ihm?«
Sharif machte eine Geste, die Andrej zu seinen Gunsten als einladend auslegte, nicht als Befehl, und ging los, bevor er antwortete. »Es geht ihm besser.«
»Und das macht Euch Sorgen?«
»Es macht vor allem den Männern Angst.« In Sharifs Augen blitzte es kurz und ärgerlich auf. »Sie beginnen zu reden, Andrej. Über Euch und Euren Freund.« »Tun sie das nicht schon die ganze Zeit?« Andrej lachte humorlos. »Ich dachte immer, reden wäre die Lieblingsbeschäftigung aller Soldaten.«
»Ja«, bestätigte Sharif, »aber jetzt reden sie lauter. Und was sie sagen, das beunruhigt mich.«
Und das offensichtlich mehr, als er selbst zugeben mochte, dachte Andrej, denn er kannte Sharif eigentlich nicht als einen Mann, der zum Herumdrucksen neigte.
»Es sind Eure Männer, Hauptmann«, sagte er. »Vielleicht solltet Ihr ihnen einfach befehlen, mit dem Reden aufzuhören.«
»Das könnte ich. Ich kann ihnen das Reden verbieten, aber nicht das Denken. Noch reden sie nur, aber noch ein Tag wie heute, und sie werden anfangen, Fragen zu stellen.«
»Noch einen Tag wie heute überstehen wir nicht, Hauptmann«, sagte Andrej. »Wie viele Männer habt Ihr verloren?«
Sharifs Antwort bestand nur aus einem bösen Blick, aber mehr war auch nicht nötig. Sie hatten ihre Verluste noch nicht gezählt, doch sie waren schrecklich. Fast ein Drittel ihrer kleinen Flotte war zerstört, und sie konnten vermutlich von Glück reden, wenn die Verluste an Männern nicht noch größer waren. Faktisch hatten sie auch diese Schlacht gewonnen, aber einen weiteren solchen Sieg konnten sie sich nicht mehr leisten. »Ich werde abstreiten, das jemals gesagt zu haben«, fuhr Sharif in sonderbarem Ton fort, »aber allmählich beginnt mir dieser Machdi Angst zu machen.« »Weil er Euch geschlagen hat?« »Es ist nicht die erste Schlacht, die ich verliere«, versetzte Sharif. »Ich kann einen Feind achten, der mich besiegt. Aber dieser Mann kämpft nicht fair. In dieser Art zu kämpfen liegt keine Ehre.« Andrej verstand, was er meinte, und insgeheim stimmte er ihm auch zu, aber er schüttelte trotzdem den Kopf und sagte: »Weil sie nicht nach Euren Regeln kämpfen? Aber dann würden sie verlieren.« »Sie kämpfen nach gar keinen Regeln!«, protestierte Sharif. »Wie soll ich gegen einen Feind gewinnen –« »–der sein eigenes Leben als Waffe einsetzt?«, fiel ihm Andrej ins Wort. »Aber es ist die einzige, die sie haben.« »Es ist trotzdem nicht richtig«, beharrte Sharif. Andrej hatte das Gefühl, dass er eigentlich mit sich selbst sprach und weniger mit ihm. »Zeigt mir ein Heer, und ich schlage es! Zeigt mir eine Stadt, und ich erobere sie! Aber das ist …« Er suchte nach passenden Worten und fand sie nicht.
»Dann solltet Ihr vielleicht den Gedanken erwägen aufzugeben«, sagte Andrej vorsichtig. »Es liegt auch keine Ehre darin, einen Kampf zu kämpfen, den man nicht gewinnen kann. Eure Männer sind Euch Gehorsam schuldig, aber Ihr schuldet es ihnen auch, ihre Leben nicht sinnlos zu opfern.«
Sharif blieb stehen, und Andrej fragte sich, ob er nicht zu weit gegangen war, denn in den Augen des Janitscharenhauptmannes erschien ein Ausdruck, der ihm ganz und gar nicht gefiel. Aber nur für einen Moment, dann wandte er sich ab und ging weiter. »Mein Befehl lautet, den Machdi zu fangen, nicht, mit leeren Händen zurückzukehren.«
»Lautet er auch, mit dem Machdi zurückzukehren oder gar nicht?« ‚fragte Andrej.
Sharif zog es vor, so zu tun, als hätte er die Frage nicht gehört. Er blieb stehen und blickte zum Fluss. Sie hatten eine kleine Anhöhe erklommen, die sich wie der Buckel einer Schildkröte über dem Umland erhob, sodass sie sowohl das Ufer als auch den Fluss in weitem Umkreis überblicken konnten. Für alle anderen mochte es aussehen, als wären sie genau aus diesem Grund hierheraufgekommen, doch spätestens als Sharif weitersprach, wurde Andrej der wirkliche Grund klar. Sie waren außer Hörweite aller anderen.
»Ich bin nicht dumm, Andrei, und auch nicht blind.
Sagt Ihr mir, was Ihr wirklich seid?«
Er hatte gefragt was, nicht wer, und dieser Unterschied war weder Zufall, noch war er Andrej entgangen.
Trotzdem antwortete er: »Ein Ungläubiger, Hauptmann.
Nur ein Mann, der irgendwie versucht, sein Leben zu leben … oh ja, und der von Eurem Herrn gezwungen wurde, sich in einen Kampf einzumischen, der ihn nichts angeht.«
»Und der kugelfest ist.« Sharif sah ihn nicht an, und es war auch keine
Weitere Kostenlose Bücher