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Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi

Titel: Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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letzten dreihundert Jahren nicht genug angestrengt.«
    »Du bist nicht mehr der Mann, der in dieser Zeit an meiner Seite war«, antwortete Andrej.
    »Nein?« Abu Dun grinste dümmlich, richtete sich auf und sah an sich hinunter. »Also mir fällt kein großer Unterschied auf. Vielleicht habe ich ein paar Pfund zugelegt, aber ansonsten habe ich mich gut gehalten, finde ich.« Er nickte bekräftigend, schlug sich mit der flachen Hand auf den Bauch und rülpste laut. »Genau das meine ich«, sagte Andrej. »Ich weiß, du spielst gerne den ungehobelten Barbaren und Dummkopf, und du spielst diese Rolle gut. Aber ich bin allmählich nicht mehr sicher, ob du es tatsächlich nur spielst.«
    »Euch gefallen meine Manieren nicht, Sahib?«, feixte Abu Dun. »Ich bitte um Vergebung, Massa.« »Wann hast du das letzte Mal einen Mann getötet, nur um dich an ihm zu nähren?«, fragte Andrej. Als er sah, dass Abu Dun zu einer weiteren kindischen Entgegnung ansetzte, kam er ihm zuvor. »Noch nie. Das ist nicht unsere Art, Abu Dun, denn dann wären wir nicht anders als die, die wir bekämpfen.«
    »Amen«, sagte der Nubier spöttisch. Süffisant grinsend zog er ein weiteres Blatt heraus und hielt es ihm hin. Andrej musste seine ganze Selbstbeherrschung aufbieten, um es ihm nicht aus der Hand zu schlagen. »Dieses verdammte Zeug bringt dich so oder so um, Pirat«, sagte er. »Wie lange willst du noch warten? Bis es dich zu genau dem gemacht hast, was wir bekämpfen?« Abu Dun begann mit gezierten Bewegungen an dem einzelnen Blatt zu knabbern, unbeirrt weiterfeixend, doch seine Augen wurden plötzlich ernst. »Du meinst, ich sollte es nicht noch länger hinauszögern und mich in mein Schicksal fügen?«
    »Es wäre zumindest leichter für alle anderen«, sagte Andrej. Auch für ihn.
    »Ich könnte sterben«, gab Abu Dun zu bedenken. »Zum wievielten Mal?«
    »Jetzt verstehe ich, was Ihr meint, Sahib«, sagte Abu Dun. »Ich könnte in Kauf nehmen, dass mich dieses Teufelszeug qualvoll krepieren lässt, um auf diese Weise davon loszukommen. Weil Männer wie wir zwar auch sterben, aber zumeist nicht lange tot bleiben, nicht wahr?« Er schlug sich mit der flachen Hand so fest vor die Stirn, dass es klatschte. »Das hätte ich jetzt beinahe vergessen. Gut, dass Ihr Euren dummen Mohren daran erinnert habt, Massa«.
    »Ich weiß, dass es wahrscheinlich schlimm wird«, sagte Andrej. »Ich habe gesehen, wie es dir ergeht und wie es den Männern ergangen ist, die Sharif gefangen genommen hat. Es wird schlimm, das weiß ich.« »Schlimm?« Abu Dun wiederholte das Wort auf eine Art, die Andrej nicht richtig deuten konnte. Schließlich nickte er und knabberte weiter an dem einzelnen Blatt. »Ja, es könnte in der Tat schlimm werden.« »Ich weiß, aber –«
    »Ich könnte sterben, Hexenmeister«, unterbrach ihn Abu Dun. »Ich könnte sterben, und ich bin ganz und gar nicht mehr sicher, ob ich danach wieder aufwachen würde – und wenn ja, als was.«
    Er schob sich den Rest des hellgrünen Blattes zwischen die Lippen, und auch noch die allerletzte Spur von Erheiterung verschwand aus seinem Gesicht. »Was denkst du dir, Hexenmeister? Glaubst du wirklich, ich hätte dieselbe Idee nicht schon ein dutzendmal selbst gehabt? Oder ich hätte Angst davor, dass es schlimm werden könnte?« Er schnaubte abfällig. »Ich habe schon Schlimmeres überstanden, verdammt noch mal, und es macht mir sehrwohl etwas aus, zu einem … einem Vieh zu verkommen, bei dessen Anblick sich die Menschen abwenden. Aber ich bin nicht sicher, ob es noch möglich ist.«
    »Was?«
    Statt zu antworten, schlug Abu Dun seinen Mantel zurück, sodass Andrej den improvisierten Verband sehen konnte, den er ihm selbst vor weniger als einer Stunde angelegt hatte. Er war verrutscht und aufrissen und bedeckte die Wunde nicht mehr ganz. Sie sah nicht mehr so schlimm aus wie am Anfang, war nun nur noch eine tiefe Schramme, nicht mehr der tödliche Stich, den ihm die fünfzehn Zentimeter lange Messerklinge des Machdiji zugefügt hatte. Aber sie hätte gar nicht da sein sollen. »Das Kat«, vermutete er. Eigentlich vermutete er es nicht. Spätestens seit Konstantinopel wussten sie es beide.
    »Es frisst mich auf«, sagte Abu Dun. »Es verzehrt mein Blut, Andrej, das, was mich stark macht. Ich weiß es schon lange, aber ich wollte es nicht wissen. Aber es wird schlimmer, mit jedem Tag, und immer schneller.« Er rückte den Verband wieder zurecht, und zu Andrejs Entsetzen quoll ein hellroter

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