Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi
erschrocken über den brüchigen Klang seiner Stimme.
»Das ist im Augenblick nicht besonders schwer«, antwortete Abu Dun. »Sie stehen in Leuchtschrift auf deiner Stirn geschrieben.«
»Wie gut, das sie außer dir niemand sehen kann«, sagte Andrej und stand mit einem Ruck auf. »Das Blut auf deinem Mund sieht allerdings jeder. Wisches weg, bevor jemand auf die Idee kommt, dumme Fragen zu stellen.« »Er sollte sich unterstehen. Dafür bin ich hier zuständig«, feixte Abu Dun, gehorchte aber trotzdem und reinigte sein Gesicht, so gut er konnte.
»Eigentlich bist du eher für dumme Antworten gut«, erwiderte Andrej, nicht besonders originell und viel zu spät. Abu Dun grinste breit und wandte sich ohne ein weiteres Wort ab, umzugehen. Auf dem Weg nach draußen nahm er auch noch das Kat des zweiten Toten an sich. So wie der Beutel des ersten war er schmal und schien nur noch einige wenige Blätter zu enthalten. Andrej fragte sich, ob das Zufall war, und wenn nicht, was es bedeutete. Als sie das Gebäude verließen, wehten von Weitem Schreie an ihr Ohr, immer wieder unterbrochen von vereinzelten Schüssen. »Es scheint noch nicht ganz vorbei zu sein«, sagte Abu Dun in einem Ton, den Andrej nicht zu deuten wusste.
»Dann beeilen wir uns lieber, bevor Sharif einen Vorwand findet, die ganze Stadt niederzubrennen.« Andrej beschleunigte seine Schritte und wartete, bis Abu Dun sich seinem Tempo angepasst hatte, was ihm beunruhigend leichtfiel. Trotz seiner schweren Verletzung schien der Nubier vor Kraft geradezu zu vibrieren – aber Andrej konnte auch spüren, wie rasend schnell die gestohlene Energie wieder verbrannte. Wie lange noch, bis er die Lebenskraft zweier Menschen aufgebraucht hatte und mehr wollte? »Und tu wenigstens so, als wärst du verletzt«, fügte er noch hinzu, kurz bevor sie auf den Platz einbogen. »Die Männer reden schon genug über uns. Es ist nicht nötig, dass sie auch noch Angst vor uns bekommen.« »Wer hat schon Angst vorm schwarzen Mann?«, witzelte Abu Dun. Aber er ließ gehorsam die Schultern sinken und presste den Armstumpf mit der Linken an den Leib. Als sie endgültig auf den Platz traten und sich Sharif und den anderen näherten, verfiel er in einen zwar immer noch schnellen, aber mühsam schlurfenden Gang, wie ein Mann, der sich nur noch mit purer Willenskraft überhaupt auf den Beinen halten konnte.
Sharif kam ihnen entgegen und sprudelte los, bevor Andrej auch nur irgendetwas sagen konnte. »Sie kommen! Mindestens hundert Mann von Süden und genauso viele aus der anderen Richtung. Vielleicht mehr.« Er wedelte mit beiden Armen. »Wir müssen uns irgendwo verschanzen. Wenn wir uns in eines der Häuser zurückziehen, können wir sie abschießen, sobald sie sich zeigen.« Wie um seine Worte zu unterstreichen, fiel ein weiterer Schuss, deutlich näher als die anderen und von einem wütenden Geheul gefolgt. Sharif zuckte erschrocken zusammen, sah aber nicht einmal in die Richtung, aus der der Schuss gekommen war, sondern starrte den blutgetränkten Verband an Abu Duns Arm an. Lange. »Kannst du noch kämpfen, schwarzer Mann?«, fragte er dann.
»Warum sollte ich nicht?«, fragte Abu Dun.
»Du hast eine Hand verloren«, erinnerte ihn Sharif.
Tatsächlich blickte Abu Dun einen Moment lang auf den blutigen Stoff hinab und legte die Stirn in Falten, als müsste er über die Bedeutung dessen nachdenken, was er da sah.
»Das stimmt«, sagte er schließlich. Er klang erstaunt.
»Aber in seiner unendlichen Weisheit hat Allah mir zwei Hände geschenkt … und wie lange wollt ihr euch hier verbarrikadieren und auf die Anhänger des Machdi schießen, Hauptmann, wenn ich fragen darf? Bis ihm die Männer ausgehen oder euch die Munition?«
»Bis Sonnenuntergang«, antwortete Sharif. Sein Blick hing weiter wie gebannt an Abu Duns Armstumpf. Andrej hätte eine Menge darum gegeben, in diesem Moment seine Gedanken hören zu können.
»Und dann geben wir auf?«, erkundigte sich Abu Dun unschuldig.
»Sobald es dunkel geworden ist, zünden wir die Stadt an und versuchen einen Ausbruch«, antwortete Sharif.
»Versuchen klingt nicht besonders gut«, sagte Abu Dun.
»Sie mögen furchtlos sein und gefährliche Gegner, aber sie sind keine Soldaten. Wenn uns genug Zeit für die Vorbereitung bleibt, dann haben sie keine Chance gegen uns.«
»Ein famoser Plan«, bestätigte Abu Dun. »Wie konnte Süleyman auch nur eine einzige Schlacht verlieren, mit einem solchen Meisterstrategen an seiner
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