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Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi

Titel: Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Überlebenden suchten, um sie mit präzisen Stichen zu töten. Andrej versuchte weder, sie davon abzuhalten, noch erhob er Einspruch, doch er sah sich immer mehr in seiner Überzeugung bestätigt, dass sie nicht hierhergehörten. »Ist alles in Ordnung?«, wandte er sich an Sharif. »Seid Ihr verletzt?« Sharif schüttelte mühsam den Kopf, vermutlich als Antwort auf beide Fragen. »Wie konnte das passieren?«, polterte er los. »Habt Ihr nicht gesagt, ihr würdet jeden Hinterhalt spüren und jeden Machdiji schon auf weite Entfernung wittern wie der Bluthund das Wild?« Andrej konnte sich nicht erinnern, einen solchen Unsinn gesagt zu haben. Vielleicht war es ja Abu Dun gewesen, der immer für eine unqualifizierte Bemerkung im falschesten aller Momente gut war. Das Schlimme war nur, dass Sharif recht hatte. Abu Dun mochte aufgeschnitten haben, als er behauptet hatte, die Feinde riechen zu können, aber er hätte die Anwesenheit so vieler – noch dazu feindseliger! – Menschen unter allen Umständen spüren müssen. Wieso hatte er es nicht getan? »Bist du jetzt zufrieden, Ungläubiger?«, zischte Murida. Sie versuchte noch einmal und mit furienhafter Anstrengung sich loszureißen, sodass die beiden Soldaten sie kaum noch bändigen konnten. »Sieh sie dir an! Sind das für deinen Geschmack genug Tote an einem Tag, oder brauchst du noch –?«
    Ohne Vorwarnung trat Sharif auf sie zu und schlug ihr den Handrücken über den Mund, so hart, dass ihr Kopf in den Nacken flog und ihre Unterlippe aufplatzte. Andrej verspürte einen kurzen Stich von Zorn und musste gegen den Impuls ankämpfen, ihn zu packen und niederzuschlagen. Erst dann sah er, dass es nicht Muridas Blut war, sondern das des Hauptmanns, das nicht nur seine Hand rot färbte, sondern den Stoff seines Ärmels tränkte. »Schweig!«, befahl Sharif. »Du bist sofort still, bevor ich mich vergesse! Du hast völlig recht, du dummes, gefährliches Kind! Das war überflüssig und grausam! Und es ist allein deine Schuld!«
    »Meine Schuld?«, wiederholte Murida verwirrt. Mit einem Blick bedeutete Sharif den beiden Männern, sie loszulassen, und Murida hob die Hand, um das Blut von ihrem Mund zu wischen. Stirnrunzelnd betrachtete sie ihre rot gefärbten Fingerspitzen und tastete dann noch einmal behutsam über ihre Unterlippe, augenscheinlich verwirrt, keine Verletzung zu fühlen.
    »Du hättest mich warnen können!«, antwortete Sharif grimmig. »Wir wollten nur ein paar Pferde und Lebensmittel, mehr nicht! Wir könnten jetzt schon wieder weg sein! Niemand hätte sterben müssen!«
    »Indem ich meine Freunde verrate?«
    »Deine Freunde?«
    »So wie sie auch deine Freunde sind«, behauptete Murida.
    »Du weißt es nur nicht … oder noch viel schlimmer-du weißt es, aber du willst es dir einfach nicht eingestehen, nur weil du diesen närrischen Eid abgelegt hast!«
    »Dieser Eid ist nicht närrisch«, erwiderte Sharif und fügte noch mehr hinzu, doch Andrej hörte nicht mehr hin.
    Gespräche wie dieses waren ihm nur allzu bekannt. Ganz davon abgesehen, dass jetzt wirklich nicht der richtige Moment dafür war.
    Andrej war beinahe sicher, dass es vergeudete Mühe war, denn Sharifs Männer waren sicher gründlich gewesen.
    Trotzdem ging er von einem Toten zum anderen und untersuchte sie. Als er sich über den dritten Leichnam beugte, entdeckte er scharf geschliffenen Stahl. Überrascht streckte er die Hand nach der Klinge des monströsen Krummsäbels aus, den der Tote halb unter sich begraben hatte. Es sah Abu Dun gar nicht ähnlich, seine Waffe fallen zu lassen. Doch im nächsten Augenblick fuhr er entsetzt in die Höhe und hätte um ein Haar laut aufgeschrien. Er hatte sich getäuscht. Abu Dun hatte seine Waffe nicht fallen gelassen. Seine abgeschlagene Rechte hielt noch immer den Griff des gewaltigen Krummsäbels umklammert.

Kapitel 30
    Nach allem, was er gerade erlebt hatte, war dies vielleicht das Unheimlichste überhaupt: Er konnte Abu Dun nicht finden. Zu den Besonderheiten ihrer Art gehörte es, dass sie einander nicht nur erkannten, sondern einen anderen Unsterblichen auch spürten, und das manchmal über große Entfernungen hinweg. Er war in die Richtung losgelaufen, in der der Nubier verschwunden war und wie ganz selbstverständlich davon ausgegangen, dass ihn seine übermenschlich scharfen Sinne sicher zu Abu Dun leiten würden. Doch alles, was er spürte, waren Furcht und ein vages Gefühl von Hass, das die ganze Stadt erfüllte – ein übler Geruch,

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