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Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi

Titel: Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Sharif und dein Freund sind tot. Süleymans Janitscharen sind geschlagen, und er selbst wird nicht mehr lange auf seinem Thron sitzen und Schrecken und Leid verbreiten, glaub mir. Was immer auch deine Mission war, sie ist gescheitert. Warum also lässt du mich nicht einfach gehen?«
    »Weil ich Sharif mein Wort gegeben habe, dich in Sicherheit zu bringen«, antwortete Andrej.
    »Oh, das ändert natürlich alles«, sagte Murida. »Ihr Männer und eure Ehrenworte! Hast du denn gar keine Angst, dass ich einfach weglaufe?«
    »Ich laufe schneller als du, vertrau mir.«
    »Es ist Nacht, und ich bin gut darin, mich leise zu bewegen.«
    »Ich kann auch im Dunkeln sehen«, versicherte ihr Andrej. »Und ich habe gute Ohren. Ich höre sogar die Schritte einer Maus.«
    »Dann warte ich, bis du eingeschlafen bist.«
    »Ich kann eine Woche ohne Schlaf auskommen«, antwortete Andrej wahrheitsgemäß. »Oder auch zwei, wenn es sein muss.«
    »Gibt es eigentlich irgendetwas, das du nicht besser kannst als ich?«, fragte Murida schnippisch.
    Andrej überlegte einen Moment angestrengt. »Nein.« »An falscher Bescheidenheit leidest du jedenfalls nicht«, sagte Murida spöttisch.
    »Nein«, sage Andrej noch einmal. »Wozu sollte das auch gut sein?«
    Erst guckte Murida verwirrt, aber dann lachte sie.
    Seltsam – ihm war bisher nie aufgefallen, wie schön sie war, wenn sie lachte. Aber das lag vielleicht ja auch daran, dass er sie nur sehr selten lachen gesehen hatte.
    Wenn er genau darüber nachdachte, noch gar nicht.
    »Eigentlich ist es schade, dass wir uns nicht unter anderen Umständen kennengelernt haben«, sagte sie.
    »Vielleicht wäre dann ja manches anders gekommen.«
    »Wären die Umstände anders gewesen, dann hätten wir uns wahrscheinlich gar nicht kennengelernt«, antwortete Andrej.
    »Weil euer Leben nur aus Krieg und Schlachten und Töten besteht und was für Heldentaten ihr Männer sonst noch so begeht?«
    Wenn er ihr nur sagen könnte, wie recht sie damit hatte und wie sehr er es manchmal hasste. Aber das Schicksal hatte ihn nicht gefragt, ob er das sonderbare Geschenk haben wollte, das es Männern wie Abu Dun und ihm gemacht hatte.
    Stattdessen sagte er: »Anders, Murida.«
    »Erzählst du mir davon?«, fragte sie. Ihr Atem bildete kleine graue Wölkchen vor ihrem Gesicht.
    »Lieber nicht«, antwortete Andrej. »Es würde dich bestenfalls langweilen.«
    »Und schlimmstenfalls erschrecken?«
    Andrej nickte, und das Mädchen lachte wieder glockenhell. Etwas regte sich in Andrej, etwas schon fast Vergessenes und sonderbar Bittersüßes, das er hastig wieder zum Verstummen brachte. Oder es wenigstens versuchte. Murida zog fröstelnd die Beine an, schlang die Arme um die Unterschenkel und stützte das Kinn auf die Knie.
    »Vielleicht ist es ganz passend, dass es hier zu Ende geht«, sagte sie.
    »Gar nichts geht zu Ende«, erwiderte Andrej grob.
    »Und wieso?«
    »Weißt du nicht, wo wir hier sind?« Murida machte eine Kopfbewegung in die Nacht hinein. »Die Menschen, die früher hier gelebt haben, haben geglaubt, dass hier das Reich der Toten beginnt. Sharif hat mir davon erzählt. Er hat auch erzählt, dass sie ganze Städte gebaut haben, die nicht für die Lebenden bestimmt waren, sondern nur für die Toten. Heute erinnert sich niemand mehr daran, aber es heißt, sie wären immer noch da, tief unter dem Sand vergraben, und würden auf die Rückkehr derer warten, denen sie von Rechts wegen gehören.«
    »Die Menschen erzählen viel«, antwortete Andrej. »Vor allem von Dingen, die niemand mehr überprüfen kann.«
    »Sharif hat auch gesagt, dass du ein Skeptiker bist«, erwiderte Murida. »Du glaubst nur an Dinge, die du sehen und anfassen kannst.«
    »Nicht einmal daran«, sagte Andrej. Ganz besonders nicht daran.
    »Sharif behauptet auch, du wärst dabei gewesen, als sie diese Städte gebaut haben.«
    »Sharif übertreibt«, antwortete Andrej.
    Murida sah ihn abschätzend an. »Das heißt nicht Nein«, sagte sie schließlich. Andrej zog es vor, nicht zu antworten.
    »Wie ist es?«, fragte Murida.
    »Was?«
    »Tot zu sein«, antwortete sie sehr leise.
    »Dunkel«, sagte Andrej. »Und einsam. Kalt. Sehr kalt.«
    Murida sah ihn weiter durchdringend und auf eine Art an, die ihm eisiges Frösteln über den Rücken laufen ließ.
    Andrej zwang sich zu einem Lächeln und fügte hinzu:
    »Jedenfalls glaube ich das.«
    »Du weißt es nicht?«
    »Niemand weiß das«, erwiderte Andrej. »Ich weiß nicht, was Sharif über mich zu

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