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Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi

Titel: Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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schien es ihm doch, dass eine menschliche Stimme hier nicht hergehörte, ja, sie schon beinahe so etwas wie ein Frevel war, denn dieser Ort war … anderem geweiht.
    »Dieser Gang führt zu einem heiligen Ort«, antwortete Murida. »Mehr weiß ich auch nicht. Der Machdi wartet dort auf uns … oder jemand, der uns zu ihm bringen wird.« Andrej tauschte einen ebenso verwirrten wie beunruhigten Blick mit Hadschi. Murida hatte gerade, vermutlich ohne es selbst zu ahnen, zugegeben, nicht sehr viel mehr über ihr Ziel zu wissen als sie. Und das war mehr als nur ein bisschen beunruhigend. Flüchtig fragte ersieh, warum er so leichtsinnig gewesen war, diesem Mädchen blindlings zu folgen – wenn man es genau nahm, ohne eine einzige Frage zu stellen-, kam aber zu keiner Antwort. In dieser sonderbaren Umgebung, die ihm mit jedem Schritt mehr wie zwar von, aber ganz eindeutig nicht für Menschen gemacht schien, konnte er sich nicht mehr auf sein Zeitgefühl verlassen. Der Tunnel konnte unmöglich so lang sein, aber seine innere Uhr zeigte ihm dennoch an, dass Stunden vergangen sein mussten, als Hadschi die nächste Frage stellte: »Warum auf diesem Weg? Gab es keinen bequemeren?«
    »Sicher«, antwortete Murida spöttisch. »Aber ich wollte dich nicht beleidigen, indem ich einen so gewaltigen Krieger auf einem zu bequemen Weg zu meinem Herrn führe.«
    Von jetzt an schwieg Hadschi, bis sie ihr Ziel erreicht hatten.
    Was immer Andrej erwartet hatte, er wurde enttäuscht. Der schmucklose Gang endete in einer ebenso schmucklosen rechteckigen Kammer, an deren Wänden es weder Malereien noch Hieroglyphen oder andere Zeichen gab. Eine aus nur fünf absurd hohen Stufen bestehende Treppe führte am anderen Ende nach oben, aber es gab weder eine Tür noch eine Klappe oder irgendeine andere Art von Ausgang.
    »Was für ein beschauliches Plätzchen«, sagte Hadschi.
    »Wahrlich, eines muss man dem Machdi lassen: Er weiß zu leben.«
    »Und wie geht es weiter?«, fragte Andrej, bevor Hadschi richtig in Fahrt kommen und noch mehr Unsinn reden konnte.
    Murida warf ihm einen dankbaren Blick zu. Sie wies mit dem kümmerlichen Rest ihrer fast heruntergebrannten Fackel zum oberen Ende der Treppe. »Ich brauche deine Hilfe.«
    Das rötliche Licht der Fackel hatte dieselbe Wirkung wie das Wasser, das Murida vorhin auf die Wand aufgetragen hatte: Unter Jahrhunderten von Staub wurden die Umrisse eines rechteckigen Steines sichtbar, der die fugenlose Decke dort durchbrach, wo ein aufrecht stehender Mann mit dem Kopf anstoßen würde, wenn er sich auf der obersten Stufe befand.
    »Was mich zu einer anderen Frage bringt«, sagte Hadschi.
    »Ja«, nickte Andrej. »Stell sie später!«
    Ereilte los, schaffte es irgendwie die grotesk hohen Stufen hinauf, ohne dabei eine allzu lächerliche Figur zu machen, und streckte die Arme aus, um sich mit aller Kraft gegen die Decke zu stemmen. Das Ergebnis entsprach ganz genau seinen Erwartungen: Nichts rührte sich. Ihm war, als würde er unter einem Berg stehen und versuchen, ihn mit bloßen Händen umzuwerfen. Für einen Moment drohte er in Panik zu geraten. Was, wenn es wirklich eine Falle war, und sie –?
    Ein Knirschen, mehr zu fühlen als wirklich zu hören, und dann rieselte jahrtausendealter Staub auf sie herab, gefolgt von einer Flut kaum weniger feinen Sands, der rings um sie herum zu einer Wolke aufstob und das Atmen unmöglich machte. Dennoch drückte und schob Andrej weiter mit aller Kraft, strengte sich nur noch mehr an und war nicht ganz sicher, ob er vor Schmerz oder vor Erleichterung aufstöhnte, als das Hindernis über ihm endlich nachgab. Langsam und – wie es ihm vorkam – Millimeter um Millimeter hebelte erden gewaltigen Stein aus seiner Fassung und in die Höhe und wäre um ein Haar gestürzt, als der scheinbar unverrückbare Widerstand von einem Moment auf den anderen einfach verschwunden war und das Dunkel wie etwas Körperliches auf sie herabstürzte. Taumelnd vor Anstrengung sank er gegen die Wand, schuldete es nur seinem Stolz, nicht auf die Knie zufallen, und fand sich in plötzlicher Finsternis wieder, als Murida und Hadschi nur einen halben Atemzug später an ihm vorbeistürmten und in der Schwärze verschwanden. »Ja, gern geschehen«, keuchte er. Sein Atem ging pfeifend. »Bedankt euch nur nicht alle auf einmal, das wäre mir peinlich.« Mit einiger Mühe und die Schmerzen in seinen Armen und Oberschenkeln ignorierend, richtete er sich wieder auf, griff nach den Rändern des

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