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Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi

Titel: Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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auf jeden Fall anders.
    »Dieser Ort ist viel älter«, antwortete sie. »Er ist heilig. Du solltest ihm etwas mehr Respekt entgegenbringen.«
    »Heilig«, wiederholte Andrej zweifelnd.
    »Mehr weiß niemand darüber«, sagte Murida nickend.
    »Und vielleicht ist das auch gut so.«
    »Und vor allem sollte kein Ungläubiger hier sein«, fügte Hadschi hinzu.
    »Du weißt, was uns aufgetragen wurde«, erwiderte Murida tadelnd. Hadschi presste trotzig die Lippen zusammen. Er hielt ihrem Blick mit Mühe-stand, aber immerhin widersprach er nicht mehr. Er machte aber auch keine Anstalten weiterzugehen. Murida deutete mit der brennenden Fackel nach unten.
    »Du kommst nicht mit?«, fragte Andrej.
    Hadschi schüttelte so heftig den Kopf, dass es schon fast komisch aussah. »Ich sollte euch nur hierher bringen.« Er versuchte möglichst beiläufig zu klingen, erreichte damit aber nur das Gegenteil. Er hatte Angst, aber Andrej war nicht ganz sicher, wovor: vor ihm oder diesem unheimlichen Ort. »Das letzte Stück müsst ihr allein gehen.«
    Andrej warf Murida einen verwirrten Blick zu, auf den sie jedoch nur mit einem stummen Kopfnicken reagierte; mehr konnte er nicht erkennen, denn sie hielt die Fackel jetzt so, dass die Flammen ihr Gesicht verdeckten. Andrej glaubte nicht, dass es Zufall war. Dennoch: Ihm war nicht wohl dabei, den Mann hier zurückzulassen. Aber ihm fiel auch kein Grund ein, darauf zu beharren, dass er sie weiter begleitete. So nickte er nur, wenngleich widerwillig, und Murida hob ihre Fackel höher und begann die steile Treppe hinunterzugehen. Andrej folgte ihr.
    Erwartete ab, bis er ganz sicher war, von Hadschi nicht mehr gehört zu werden, bevor er fragte: »Was genau tun wir hier?«
    »Der Machdi will dich sehen, und –«
    »Wir sind jetzt allein, Murida«, fiel ihr Andrej ins Wort, eine Spur schärfer, als er beabsichtigt hatte. »Du kannst mit dem Theater aufhören.«
    Murida sah ihn an, als hätte er in einer fremden Sprache mit ihr geredet, drehte den Kopf und sah kurz zu Hadschi zurück, aber dann hob sie nur die Schultern. »Der Machdi will dich sehen. Mehr weiß ich nicht. Aber ich glaube, dass er dir etwas zeigen möchte.«
    »Und was?«, fragte Andrej.
    Er bekam keine Antwort. Murida versuchte nur schneller zu gehen, was aber kaum möglich war, wollte sie nicht Gefahr laufen, sich den Hals zu brechen. Die Stufen, die in die Halle hinabführten, waren ebenso hoch wie die auf der anderen Seite. Andrej überlegte, ob sie wohl tatsächlich von Menschen erbaut worden waren oder doch zumindest für Menschen. Dieser Gedanke mochte verrückt sein, aber es war nicht das erste Mal, dass er ihn dachte. Vorsichtig balancierten sie die Treppe hinunter und betraten die eigentliche Halle.
    Die Decke, die mindestens fünf oder sechs Manneslängen über ihnen schwebte, wurde von einem Wald doppelt mannsdicker steinerner Säulen getragen, die über und über mit Hieroglyphen, Bildern und anderen Symbolen, deren Namen Andrej nicht kannte, bedeckt waren. Vieles entsprach durchaus der Ästhetik und Bildersprache der vergangenen Pharaonen, die er ebenso gut oder auch weniger gut kannte wie jeder, der schon einmal mit offenen Augen durch dieses Land gereist war. Manches erschien ihm auch einfacher und älter, auf eine schwer in Worte zu fassende Weise ursprünglicher, als betrachtete er das, woraus die Sprache des untergegangenen Pharaonenreiches vor Jahrtausenden hervorgegangen sein mochte. Und manches war auf so erschreckende Art anders, dass er es kaum ertrug, die in den Stein gemeißelten Symbole länger als einen Augenblick anzusehen.
    »Warum ausgerechnet hier?«, fragte Andrej. Er versuchte spöttisch zu klingen, aber es gelang ihm nicht, vielleicht, weil das Echo seiner eigenen Stimme seine Anstrengungen zunichtemachte, hallte sie doch vielfach gebrochen und verzerrt von den steinernen Säulen zurück. Weit vor ihnen war ein rötlicher Schein, der den versteinerten unterirdischen Wald in etwas verwandelte, das Andrejs Vorstellung vom christlichen Fegefeuer beunruhigend nahekam. Er spürte die Gegenwart von etwas, von dem er nicht ganz sicher war, ob es lebte. »Kommt näher! Tretet ins Licht!« Die Säulen wichen vor ihnen in alle Richtungen ein Stück zurück (wieder musste Andrej an die Millionen Tonnen von behauenem Fels und die Tragfähigkeit der Decke über ihnen denken), sodass eine Art Raum ohne Wände entstand, in dem eine Anzahl Fackeln brannten oder doch zumindest etwas, das man dafür halten

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