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Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi

Titel: Die Chronik der Unsterblichen 13 - Der Machdi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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nennen mich so«, sagte er. »Und vielen mag es tatsächlich so vorkommen, als wäre ich es.
    Denen, denen der Blick für die großen Zusammenhänge fehlt … aber wem sage ich das? Unter uns Lügnern, Andrej: Wie viele falsche Namen hast du schon benutzt?
    Wie viele Leben hast du schon gelebt, die nicht deine waren?«
    »Was soll der Unsinn?«, fragte Andrej.
    »Eigentlich nichts«, gestand Sharif. »Ich dachte nur, es wäre passend für einen Moment wie diesen.«
    »Nein«, antwortete Andrej. »Ist es nicht.«
    »Vermutlich hast du sogar recht«, seufzte Sharif. »Verzeih!« Erstand auf und hob die Hand, um jemandem hinter Andrej einen Wink zu geben. Schritte entfernten sich, und einmal darauf aufmerksam geworden, registrierte Andrej auch die Anwesenheit weiterer Männer. Ungefähr ein Dutzend, nahm er an. Draußen blökte ein Kamel. Sharif sagte noch etwas, das nicht ihm galt und das er auch nicht verstand, machte ein ärgerliches Gesicht und ging mit schnellen Schritten aus dem Haus, um draußen weiterzupoltern.
    Andrej atmete ein paarmal tief durch und spannte vorsichtig die Muskeln an, um die Festigkeit seiner Ketten zu prüfen. Sie waren stabil, aber er nahm dennoch an, dass er sie zerbrechen konnte, wenn es wirklich sein musste. »Gib dir keine Mühe, Andrej. Du tust dir nur weh, und das möchte ich nicht.«
    Andrej drehte mühsam den Kopf, um in Muridas Richtung zusehen. Sie saß mit angezogenen Knien auf dem übel riechenden Lager und sah immer noch so blass aus, dass er wohl erschrocken gewesen wäre, hätte ihm im Moment nicht der Sinn danach gestanden, ihr den Hals umzudrehen. Er versuchte den Ausdruck in ihren Augen zu deuten, aber es gelang ihm nicht. Vielleicht, weil er so anders war als der, den er erwartet hatte. Seine Kette klirrte, als er sich erneut aufsetzen wollte, und Murida sagte erschrocken: »Quäl dich nicht unnötig, Andrej! Es hat keinen Sinn, glaub mir! Mein Vater weiß, was er tut. Er kennt sich mit solchen Dingen aus.« »Dein Vater«, wiederholte er mit schwerer Zunge. Nun kehrte auch der Schmerz zurück, intensiv und jäh genug, um ihm die Tränen in die Augen zu treiben. Dennoch war es ein guter Schmerz, denn er zeigte ihm, dass seine Verletzung nun heilte. »Wie lange weißt du das schon?« »Dass mein Vater mein Vater ist?« Murida schüttelte den Kopf und lächelte verzeihend. »Vom ersten Tag an, selbstverständlich. Ich weiß, du bist jetzt verletzt und gewiss verärgert, und von deinem Standpunkt aus wohl auch zu Recht. Aber diese kleine Lüge war notwendig.« »Kleine Lüge«, wiederholte Andrej. Das Sprechen fiel ihm bereits leichter, doch er sprach bewusst schleppend und ließ die Schultern hängen. Es war vielleicht an der Zeit, dass auch er das eine oder andere kleine Geheimnis für sich behielt. »Ja, sie ist euch wirklich gelungen. Ich dachte immer, man könnte mich nicht belügen, aber da habe ich mich wohl getäuscht.«
    »Ich wollte nicht, dass das passiert, glaub mir.« Murida zeigte auf die Ketten, die ihn in einer so unbequemen Haltung fesselten, dass es für jeden anderen qualvoll gewesen wäre. Für ihn auch, wenn er ehrlich war. »Aber er weiß auch, wie gefährlich du bist. Ich glaube, er hat Angst vor dir.«
    »Wie weise«, sagte Andrej spöttisch. »Es ist nicht für lange«, versprach Murida. »Sobald mein Vater dir alles erklärt hat und du die ganze Geschichte kennst, binden wir dich los. Er ist nicht dein Feind, und ich ganz bestimmt auch nicht. Aber wir haben beide gesehen, wozu du fähig bist. Du bist ein Mann, vordem man leicht Angst bekommen kann.«
    Vorsichtig setzte Andrej sich nun doch so weit auf, wie es seine eisernen Fesseln zuließen, und sah sie fest an. »Und der Machdi? Ist er mein Feind?« »Es gibt keinen Machdi, Andrej Delany«, sagte eine Stimme hinter ihm. »Ich dachte, wenigstens das hättest du inzwischen verstanden.« Sharif kam zurück und trat mit raschen Schritten wieder in sein Blickfeld. Fast hätte Andrej ihn nicht erkannt.
    Sharif war nicht mehr Sharif. Wenigstens nicht mehr der Sharif, den er gekannt hatte. Statt der schwarzen Kleidung der Machdiji und Janitscharen trug er jetzt einen prachtvollen, weiß und golden gestreiften Mantel über einem seidenen Hemd und weißen, ebenfalls seidenen Hosen, zu denen die staubigen Stiefel nicht so recht passen wollten. Lächelnd blieb er über Andrej stehen und amüsierte sich ganz unverhohlen über dessen Fassungslosigkeit, bevor er die Hand hob, woraufhin ein weiterer Mann in einem

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