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Die Chronik von Tornor 03 - Die Frau aus dem Norden

Titel: Die Chronik von Tornor 03 - Die Frau aus dem Norden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth A. Lynn
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einer schmerzhaften Heftigkeit wünschte sie sich, sie hätte einen Menschen, bei dem sie Zuflucht finden könnte, der sie in den Armen halten würde, hinter dessen Freundschaft sie sich verbergen könnte: eine Freundin, eine Schwester, eine Geliebte ...
    Sie trat vor, und ihr Fuß knirschte auf Glas. Nein, sie war ja nicht allein, sie hatte doch Marti Hok! Und sie hatte Paxe! Und sie hatte den armen Cha Minto, der möglicherweise etwas aus seinen Fehlern gelernt hatte. Und sie besaß sogar eine Verbündete mitten im Tanjo: die Wahrheitsfinderin Senta, deren Warnung sich als nur allzu treffend erwiesen hatte. Arré war es klar, daß sie der Wahrheitsfinderin würde vertrauen müssen, so sehr sie auch den Tanjo insgesamt verabscheute.
    Lalith kam an die Tür und blieb mit dem Besen stehen. »Herrin, soll ich ...«
    »Ja.« Arré trat an den Aktenschrank und holte ihr Schreibzeug hervor. Dann setzte sie sich in ihren Sessel, zog den Lacktisch näher heran und begann zu schreiben: Von der Lady Arré Med, Kendra-im-Delta, an den Lord Tarn i Nuath Ryth ...
     
    Eine Woche vor dem großen Fest wurde die Wacheinteilung zu einem Alptraum. Paxe versetzte vier Posten aus der Nachtwache zur Tageswache und zur Spätschicht, so daß sie nur zwölf Mann unter ihrem Kommando hatte, und das war das absolute Minimum für ihren Stadtbezirk. Die Stunden der Nachtwachen wurden länger, je später die Sonne aufging, und die Wachen waren müde. Paxe ging von Posten zu Posten und löste jene ab, die es nötig hatten, so daß sie ins Wachhäuschen gehen, etwas essen, vielleicht ein kurzes Nickerchen machen konnten.
    Sie stand gerade auf Wache auf der Jasminstraße an der Grenze zum Sul-Bezirk, als sie das Pfeifsignal vernahm, das bedeutete, daß die Hofmeisterin oben am Hügel gebraucht wurde. Rasch rannte sie zum Wachhaus und rüttelte den schlaftrunkenen Posten wach. »Ich muß fort!« Und indem sie ein Stoßgebet ausstieß, daß es sich nicht um einen Notfall handeln möge, machte sie sich eilends nach Norden auf.
    Sie brauchte eine halbe Stunde bis ans Ziel. Im Waffenhof hatte jemand eine Fackel entzündet. Paxe trat durch das Tor und fand Idrella vor, die Torwache, die auf sie wartete.
    »Wer ist am Tor?« fragte Paxe.
    »Ich habe Rak von der Ölstraße rübergerufen.« Sie nahm die Fackel von der Halterungsstange und führte Paxe zum Waffenschuppen. An dem Türschloß zeigten sich die Spuren eines Stemmeisens. Paxe rüttelte an dem Schloß, es war noch intakt. »Schau!« sagte Idrella. Sie ging um den Schuppen herum zu dem einzigen kleinen Fenster. Das dicke halbdurchsichtige Glas war nach innen gedroschen worden, und im Staub davor waren Fußspuren.
    »Ich habe ein Geräusch gehört und bin nachschauen gegangen. Ich kam gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie einer davonrannte. Wer immer es war, er ist über den Zaun geflankt, als ich kam, ich hab' grade noch gesehen, wie sein Bein über der Spitze verschwand. Es gibt keine Möglichkeit herauszufinden, wer das war und ob sie hineingekommen sind.«
    Paxe tastete nach dem Schlüssel zum Waffenschuppen. »Sehen wir mal nach«, sagte sie. Sie schloß auf und bückte sich unter dem Türbalken durch. Idrella reichte ihr die Fackel, und Paxe hielt sie auf Armeslänge von sich weg, um sich nicht die Augenbrauen abzusengen, und ging auf die Hinterwand des Schuppens zu. Die Piken, die normalerweise ordentlich an den Längswänden aufgestellt waren, lagen durcheinander herum, so daß sie über sie hinwegsteigen mußte. »Es war jemand hier drin«, sagte sie.
    Der Fettgeruch kitzelte sie in der Nase. Sie machte einen weiteren Schritt in den kleinen vollgestopften Schuppen hinein und blieb stehen, als ihre Fackel etwas Metallisches aufglänzen ließ. »Oh, verflucht«, sagte sie.
    »Was ist denn?« fragte Idrella.
    Paxe kniete nieder. »Jemand hat sich an den Schwertern zu schaffen gemacht.« Die Seide lag zerknüllt auf der harten Lehmerde. Langsam zählte sie die Schwerter – elf, zwölf, dreizehn, vierzehn – es sollten doch fünfzehn sein. Von den fünfunddreißig Schwertern, die durch sämtliche Tore hereingekommen waren, hatte der Med-Hof fünfzehn – das heißt, er hätte sie haben sollen –, der Hok-Hof sechs, der Hof der Minto zehn, der Sul-Hof vier.
    Und nur vierzehn Schwerter waren noch da. Sie streckte die Fackel vor, leuchtete in die spinnwebbedeckten Ecken, weil sie hoffte, der Dieb könne das Schwert bei der Flucht fallengelassen haben. Doch in der Dunkelheit blitzte nichts weiter

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