Die Chronik von Tornor 03 - Die Frau aus dem Norden
nie verzeihen, dachte sie. »Ich werde dich nicht bitten, dich zu setzen, weil ich nicht wünsche, daß du lange bleibst«, sagte sie und genoß es heimlich, ihn erröten zu sehen.
»Ich überbringe dir eine Botschaft des L'hel«, stammelte er.
»Und findest du diese Beschäftigung interessant, Botschaften herumzutragen?« erkundigte sie sich.
Seine Lippen preßten sich fest zusammen in dem Bemühen, ihr keine Antwort zu geben. Sie beschloß, ihn nicht weiter zu reizen, und legte die Hände zusammen.
»Jerrin-no-Dovria i Elath wünscht dich zu sehen«, sagte er.
»Ich werde in den Tanjo kommen«, sagte Arré.
»Nein, er wird hierher kommen.«
Arré überlegte sich, ob sie es wagen sollte, ihm das zu verweigern. Sie glaubte, daß dies denn doch eine allzu offenkundige Kränkung wäre. »Wann?« sagte sie.
Kim bezeichnete einen Tag der folgenden Woche.
»Gut. Ich akzeptiere das«, sagte Arré. »Sagen wir am Nachmittag. Ein Besuch von ihm am Morgen würde mir den Rest des Tages versauern.«
Es regnete leise an dem Tag, an dem der L'hel sich einfand. Er kam in einer Sänfte und in Begleitung eines Akolythenpaares. Arré schaute vom Fenster ihres Arbeitszimmers aus zu, wie er aus der Sänfte tauchte und barhäuptig den Pfad herankam. Als sie die Vordertür gehen hörte, begab sie sich rasch wieder in ihren Sessel. Ein zweiter Armstuhl war gegenüber aufgestellt worden, und zwischen beiden bildete ein langer Tisch eine Art Barrikade. Die Tür glitt beiseite, und Jerrin stand im Türrahmen. Schmierenkomödiant, dachte Arré voll Verachtung. Aber er bot ein prächtiges Bild. Sie holte Luft – der Mann war imposant! – und sagte: »Sei willkommen, L'hel.«
Lächelnd kam er auf sie zu und ließ sich in dem kissenbelegten Armstuhl nieder. Die Luft um seine Gestalt schien vage zu schimmern. Das Leuchten verblich, und Arré fragte sich, ob sie sich das nur eingebildet habe, doch als Jerrins Kleider sich bewegten, sah sie, daß die weiße Seide glastrocken und vom Regen vollkommen unbenetzt war. Sie ballte die Hände zu Fäusten und entspannte sie dann so abrupt, daß ihre Armreifen klirrten.
»Kann ich dir eine Erfrischung anbieten?« fragte sie. »Wein? Tee? Wasser?«
»Wein«, sagte er. Arré nahm das Glöckchen vom Tisch und läutete. Lalith schob den Kopf durch die Tür.
»Bring eine Karaffe Wein für den L'hel und für mich ein Glas Wasser!«
Die Narben auf seinen Wangen kräuselten sich. »Du magst nicht mit mir trinken, nicht wahr?«
»Nein«, sagte Arré, »das stimmt ganz und gar nicht. Ich habe nur das Weintrinken aufgegeben. Ich werde krank davon.«
»Hast du einen Heiler konsultiert?«
Arré antwortete: »Nein. Aber andere aus unserer Familie haben es getan. Es ist eine unheilbare Krankheit.«
»Das gilt unseligerweise auch von anderen Krankheiten als denen des Körpers«, sagte er milde.
Lalith kam mit einem Tablett herein. Sie blickte ängstlich und von Ehrfurcht überwältigt drein. Als sie niederkniete und das Tablett auf dem Tisch absetzte, zitterten ihr die Hände. Jerrin neigte sich vor, nahm ihr das Bord ab und stellte es auf den Tisch. Dann lächelte er dem Mädchen warm zu. »Ich danke dir, meine Tochter.« Lalith stand auf. Ihre Augen glühten über seine Dankesworte, als sie hinausging. Und wieder mußte Arré sich eingestehen, daß der Mann einen starken Zauber ausübte.
Sie nahm ihr Glas Wasser vom Tablett und trank. Als die kühle Flüssigkeit ihre Magenwände berührte, zuckte das Organ zusammen. Jerrin schenkte sich Wein in sein Glas und tat es Arré nach. »Wir wollen auf unsere schöne Stadt trinken«, begann er mit dieser beredten, wohl abgewogenen Stimme, »und daß sie sich bald von ihren Übeln erholen möge.«
Arré setzte ihr Glas mit einem Knall ab. »Übel, für die du zu einem großen Teil verantwortlich bist!« sagte sie.
Der L'hel spreizte die Hände. »Das ist nicht gerecht«, sagte er. »Ich versichere dir, Arré Med, ich hatte keine Ahnung, daß Ron Ismenin sich der Macht auf eine solch zerstörerische Weise bemächtigen wollte. Ich unterstütze dies nicht, und ich stimme aus ganzem Herzen mit dem Rat überein, der ihn deswegen verurteilt hat.«
Dies war ganz und gar nicht, womit Arré gerechnet hatte. »Kim Batto hat dagegen gestimmt«, sagte sie.
»Kim Batto übernimmt sich«, sagte der L'hel trocken. Sein Ton heiterte Arré beträchtlich auf.
»Ja, er neigte dazu, sich zu übernehmen«, gab sie zu und konnte den Sarkasmus nicht unterdrücken, der
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