Die Chroniken der Nebelkriege 1: Das Unendliche Licht
nützliche Dinge heraus.« Amüsiert blinzelte ihm der Magister zu und wurde dann wieder ernst. »Was du nicht weißt, ist, dass ich in Finsterkrähes Hinterlassenschaft Hinweise darauf gefunden habe, dass der Hexenmeister die Macht in Hammaburg nicht mittels eines einfachen Staatsstreichs an sich reißen wollte. Das, was ich gefunden habe, deutet vielmehr daraufhin, dass er versuchte, eine gewaltige, unheimliche Macht zu entfesseln. Er wollte etwas wecken oder beschwören. Was genau, wissen wir nicht. Aber ich bin davon überzeugt, dass es Hammaburg zerstören sollte. Seien wir froh, dass ich ihm zuvorgekommen bin. Finsterkrähe hat Schinnerkroog daher nicht unbedingt benötigt. Es ist also gut möglich, dass unser Erster Ratsherr in seinem Handeln allein von seinen Vorurteilen gegen uns geleitet wird.«
Kai runzelte die Stirn. Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Er war noch immer davon überzeugt, dass an der Sache etwas dran war.
»So, mein Junge«, Eulertin verschränkte die Arme wieder hinter dem Rücken. »Und jetzt denke ich, dass du dir etwas Ruhe verdient hast. Wir beide machen morgen eine Reise. Ich will, dass du ausgeruht bist.«
»Eine Reise?« Kai riss überrascht die Augen auf. Zugleich wusste er, dass weitere Fragen zwecklos sein würden. Wo auch immer es hinging, ganz sicher würde es ihm der Magister erst am nächsten Tag verraten. Es war alles wie immer.
Kai verabschiedete sich wortkarg und eilte hoch in sein Zimmer, das hell von der Irrlichtlaterne beleuchtet wurde. Es war schon spät. Er schlüpfte aus den Stiefeln und legte sich verärgert auf sein Bett. Verdammte Geheimniskrämerei.
Doch nach und nach glitten seine Gedanken zu den traumhaften Ereignissen der letzten Nacht zurück. Er musste schon wieder an Fi denken. Vierzig oder fünfzig Jahre alt war sie also. Irgendwie machte ihn diese Erkenntnis nicht gerade glücklich. Besser, er schlief. Mit etwas Glück würde die Welt am nächsten Morgen bereits wieder anders aussehen. Missmutig erhob er sich wieder und warf eine Decke über die Irrlichtlaterne. Kaum war die Kammer in Dunkelheit getaucht, vernahm er über sich auf dem Dach des Hauses ein dumpfes Rumpeln.
Gespannt spitzte er die Ohren. Wie schon die vielen Male zuvor waren leise Geräusche zu hören. Ohne Zweifel: Das war Dystariel. Sie stattete dem Zauberer wieder einen ihrer nächtlichen Besuche ab.
Kai war davon überzeugt, dass sich irgendwo auf dem Dach eine Tür zu einem Geheimgang befand, der direkt hinunter in die Studierstube führte. Er hatte schon mehrfach festgestellt, dass das Gebäude einige architektonische Seltsamkeiten aufwies. Eine davon bestand darin, dass im Haus nirgendwo eine Treppe hinauf auf den Dachboden zu führen schien.
Kai überlegte nicht lange und verließ leise sein Zimmer. Vielleicht gelang es ihm ein weiteres Mal, Dystariel und Eulertin zu belauschen. Lautlos schlüpfte er an der aufflackernden Kerze vorbei auf die Wendeltreppe am Ende des Ganges zu, als ihn ein im wahrsten Sinne des Wortes haarsträubendes Gefühl innehalten ließ. Quiiiitsss nahte!
Kai war sicher, dass sich der Poltergeist bereits unten am Fuß der Wendeltreppe befand und sich soeben anschickte, nach oben zu schweben. Auf gar keinen Fall durfte er ihn dabei erwischen, wie er nachts durchs Haus stromerte. Quiiiitsss würde es große Genugtuung bereiten, dies sofort Magister Eulertin zu petzen.
Panisch suchte er eine Tür. Die nächste war jene mit den Symbolen und seltsamen Schriftzeichen. Egal. Rasch zog er sie auf und schlüpfte in den Raum mit den vielen Schuhen. Der Geruch von Leder und Fett, der im Raum hing, erinnerte ihn wieder an den Tag seines Erwachens. Kai schloss die Tür keinen Augenblick zu spät. Schon konnte er fühlen, wie Quiiiitsss den Flur entlang geisterte.
Glück gehabt. Leise atmete er aus.
Wie schon bei seinem ersten Besuch war hin und wieder ein geisterhaftes Trippeln zu hören. Misstrauisch drehte sich Kai um. Im Mondlicht, das durch das schmale Fenster fiel, waren lediglich die Schatten der vielen Sockel mit den Schuhen zu erkennen. Ansonsten war der Raum leer.
Er wollte sich gerade wieder abwenden, als er plötzlich andere Geräusche vernahm: eine gedämpfte Unterhaltung.
Konnte das sein ? Kai überblickte die Kammer und kam zu dem Schluss, dass der Raum direkt über Eulertins Studierstube liegen musste.
Vorsichtig kniete er sich hin und legte sein Ohr auf den Fußboden. Er musste schon seine geschärften Sinne anstrengen, um etwas verstehen
Weitere Kostenlose Bücher