Die Chroniken der Nebelkriege 1: Das Unendliche Licht
neugierig neben dem Instrument auf und ab und strich über das Holz. »Und diese Flöte ist dir im letzten Jahr wirklich im Traum erschienen?« »Ja«, sagte Kai zögernd. »Eigentlich ... eigentlich darf ich Euch nichts darüber erzählen. Das gehört zu den Geheimnissen der Irrlichtjäger.«
»Soso«, murmelte der Däumling. »Zu den Geheimnissen der Irrlichtjäger also. Das ist Eichenholz, richtig?«
Kai nickte.
»Eiche also«, wiederholte der Zauberer und tippte sich mit der Fingerspitze grüblerisch gegen die winzige Nase. »Äußerst interessant. Ja, in der Tat.«
»Hat das irgendeine Bedeutung?«
»Hm, vielleicht«, meinte der Zauberer geheimnisvoll. »Vielleicht. Doch im Moment ist es zu früh, um dich mit alledem zu belasten.«
Kai presste die Lippen aufeinander. Sein Lehrer machte ihn manchmal rasend mit seinen Andeutungen. Aufgebracht nahm er die Flöte wieder an sich und steckte sie weg. Längst war in ihm der Entschluss gereift, dass er künftig eigene Wege gehen würde, um das zu erfahren, was er wissen wollte.
Auf jeden Fall konnte es nicht schaden, dem Magister klar zu machen, dass er nicht so allwissend war, wie er offenbar glaubte. Von einer Sache hatte Kai ihm nämlich noch nicht berichtet.
»Da ist noch etwas«, erklärte Kai leicht patzig. »Mort Eisenhand sprach von sich in der Mehrzahl, als er meinte, er könne mich lebend gut gebrauchen.«
»Wie bitte?« Magister Eulertin sah gespannt zu ihm auf.
»Ja«, antwortete Kai. »Er sagte >wir<.«
»Nun, du machst den Eindruck auf mich, als hättest du dir bereits deine Gedanken dazu gemacht. Heraus damit.«
»Na ja«, meinte Kai und pustete sich eine seiner schwarzen Strähnen aus der Stirn. »Ihr habt mir doch neulich erklärt, dass der Hexenmeister Morbus Finsterkrähe in Hammaburg Anhänger hatte, richtig? Und dass womöglich einige von ihnen noch nicht enttarnt wurden.«
Der Däumling nickte.
»Und Ihr habt mir berichtet, dass Ratsherr Schinnerkroog erst nach dem Tod seines Bruders an die Macht kam«, fuhr Kai fort. »Kann es nicht sein, dass Morbus Finsterkrähe dem heutigen Schinnerkroog auf diese Weise ganz gezielt zur Macht verholfen hat?«
»Das sind schwere Anschuldigungen, die du da erhebst, Junge«, sagte Magister Eulertin ernst.
»Ich weiß, aber es passt alles zusammen. Ihr wart es, der davon überzeugt war, dass Morgoya in Hammaburg einen Brückenkopf errichten wollte«, ereiferte sich Kai. »Davon bin nicht nur ich überzeugt«, unterbrach ihn der Däumling.
»Ja, aber überlegt doch, Magister: Wer hat diese Intrige vereitelt? Das waren zunächst die Windmacher. Denn die sind auf Finsterkrähes Aktivitäten aufmerksam geworden. Und die haben Euch gerufen, damit Ihr den Hexenmeister stellen konntet. Und wenn ich das alles recht durchdenke, habt Ihr, abgesehen von dieser Dystariel, vor allem auf die Hilfe von Koggs und seinen Leuten zählen können.«
Magister Eulertin brummte zustimmend. Kai tat es dem Magier nun gleich und ging seinerseits einige Schritte in der Studierstube auf und ab. Irritiert hielt er inne, als er sah, wie einer der vier Frösche auf der Fensterbank mit langer Zunge nach einer Fliege schnappte.
»Morbus Finsterkrähe ist besiegt«, erklärte Kai und wandte sich wieder dem Pult zu. »Aber was ist mit den Anhängern des Hexenmeisters ? Und wenn Ratsherr Schinnerkroog ebenfalls dazugehört? Vielleicht arbeiten die beiden zusammen? Das würde erklären, warum Schinnerkroog gegen die Zauberer der Stadt hetzt. Sie sind die Einzigen, die Morgoyas Zaubermacht im Ernstfall entgegentreten könnten. Und das erklärt auch, warum Schinnerkroog die Politik Hammaburgs auf so seltsame Weise lenkt. Vor allem aber erklärt es, warum er Kopfgeldjäger anheuert. Vielleicht wollte er über Fi an Koggs Windjammer herankommen. So hätte er den Anführer des Schmugglerviertels in seiner Hand gehabt.«
Magister Eulertin verengte seine winzigen Augen und schlug die Arme übereinander. »Ich gebe zu, dass mir dein Verdacht nicht behagt. Ganz und gar nicht. Allerdings können wir es uns nicht leisten, diese Möglichkeit außer Acht zu lassen. Nur gibt es keine Beweise, die für eine Zusammenarbeit zwischen Schinnerkroog und Eisenhand sprechen.«
»War ja nur ein Gedanke«, brummte Kai. »Wäre doch möglich, dass Schinnerkroog sich erhofft, im Falle von Morgoyas Sieg alleiniger Herrscher dieser Stadt zu werden.« »Ich will dich auch nicht vom Denken abhalten, Junge. Im Gegenteil. Wie man sieht, kommen dabei durchaus
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