Die Chroniken der Nebelkriege 2: Der Eisige Schatten
verfolgt. Er hatte von Feuer geträumt. Von lichterloh prasselnden Flammen, die sich schmerzhaft in seinen Leib fraßen. Und von einer hämischen Stimme, die ihn verhöhnte.
Bei allen Moorgeistern, der Sulphur!
Fieberhaft öffnete er seinen Rucksack, aus dem ihm sogleich ein unangenehm warmer Hauch entgegenschlug. Die Hitze ging ohne Zweifel von dem alten Bernsteinbeutel aus, der eingeklemmt zwischen Mondsilberscheibe und Dschinnenbüste lag. Mit spitzen Fingern ergriff er den Beutel und zog ihn hervor. Kai knüpfte die Bänder auf und warf einen ängstlichen Blick auf den schwarzen Feenglasklumpen. Herrje, unter den spröden Rissen auf seiner Oberfläche war bereits ein schwaches, rötliches Glosen zu erkennen. »Na, Kleiner«, prasselte die hasserfüllte Stimme des Sulphurs in seinem Kopf auf. »Wirst du langsam unruhig? Zu recht, du Stümper. Schon in wenigen Stunden ist dieser verdammte Kristall so bröselig, dass bereits die kleinste Erschütterung ausreicht, um ihn zu zerbrechen. Und dann«, das Elementar kicherte böse, »dann wird dich die gerechte Strafe ereilen ...«
Kai legte den Bernsteinbeutel kurzerhand wieder zurück in den Rucksack, nahm seinen Zauberstab und stand auf. Erschlich zur Tür und öffnete sie. Würzige Waldesluft schlug ihm entgegen, und die Lichtung lag ruhig vor ihm.
Der Zauberlehrling streckte sich, als vom Dach der Hütte ein Schatten herabsegelte. Olitrax ließ sich auf seinem Arm nieder und schnaubte ihn zur Begrüßung an. Im Mondlicht glitzerten die Schuppen des kleinen Drachen, als würden rote Flammen darüber hinweghuschen. Kai musste unwillkürlich lächeln.
»Wir beide sind schon ein seltsames Gespann, was ?«, sprach er leise und kraulte dem Kleinen den Rückenkamm. Da kam ihm eine Idee. »Olitrax, hast du Gilraen oder Magister Eulertin aus der Hütte hinausgehen sehen?«
Der Drache sah ihn aus seinen saphirfarbenen Augen durchdringend an und schwang sich wieder in die Lüfte auf. Es war seltsam, nicht zum ersten Mal hatte Kai den Eindruck, als könne ihn der Drache verstehen. Olitrax drehte flügelschlagend zwei Kreise über der Lichtung, bis er sich sicher war, dass ihm Kai folgte. Er tastete sich durch Farne und Sträucher, die auf dem Waldboden wucherten. Kurz darauf erreichte er eine kleine Anhöhe, auf der nur ein einzelner Baum stand. Seine starken Äste waren weit gefächert, so als wollte er das Mondlicht willkommen heißen.
Wie eigenartig, von irgendwoher glaubte Kai ein leises Rauschen zu hören. Da bemerkte er, dass im Schatten des Baumes Gilraen hockte. Er saß zusammengekrümmt da und stieß unentwegt ächzende Geräusche aus. Nein, es klang vielmehr wie Zähneknirschen.
Kai entzündete besorgt die Flamme am Ende seines Zauberstabs. »Gilraen, alles in Ordnung mit dir?«
Der Elf hielt schlagartig in seinem Tun inne und richtete sich auf. Wankend lehnte er sich gegen den Stamm, so als ob ihm schwindelig wäre.
»Du bist wach? Ich ... habe dich gar nicht gehört.«
»Ist wirklich alles in Ordnung mit dir?« Kai trat näher heran. Im Licht seiner Fackel wirkte das Antlitz des Elfen seltsam grau.
Gilraen lächelte schal und nickte. »Mach dir keine Sorgen. Die Kämpfe in den vergangenen Tagen haben eben auch bei mir ihre Spuren hinterlassen. Ich fühle mich bereits besser. Bist du alleine?«
Kai runzelte die Stirn und nickte.
»Ich wollte dir nur noch einmal sagen, dass es mir eine Ehre ist, an deiner Seite zu streiten.« Gilraen legte seine Hand entschlossen auf den Griff seines Schwertes. »Ich hätte es niemals für möglich gehalten, dass ausgerechnet ich auf die Letzte Flamme treffe. Weißt du, dass Morgoya eine Wagenladung Gold auf deinen Kopf ausgesetzt hat?«
»Wie aufmerksam.« Kai lachte bitter. »Glaube mir, wenn ich könnte, würde ich es gern jemand anderem überlassen, gegen sie anzutreten.«
»Oh, du glaubst nicht, wie gern ich dir diese Aufgabe abnehmen würde«, stieß Gilraen zwischen den Zähnen hervor. »Ich hasse sie ... so sehr.«
»Erzähl mir von ihr«, bat ihn der Zauberlehrling. »Sie ist angeblich eine uneheliche Verwandte des letzten Königs von Albion, richtig? Du hast sie doch schon gesehen, oder?«
»Oh ja«, flüsterte Gilraen heiser. »Das habe ich ... Sie kleidet sich stets in schwarze Gewänder. Sie war einst eine wunderschöne Frau, deren Liebreiz von Barden besungen wurde. Ihr Haar war so schwarz wie deines und ihre Haut soll wie Alabaster geschimmert haben. Die Männer lagen ihr zu Füßen, doch sie hat sie
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