Die Chroniken von Amarid 02 - Der Kristall der Macht
Toinan, »aber es ist lange her. Von denen, die jetzt dem Land dienen, waren nur Odinan und ich schon Mitglieder des Ordens, als dies zum letzten Mal versucht wurde. Erinnerst du dich, Odinan?« Der alte Eulenmeister hatte sich hingesetzt. Er sah müde und hohlwangig aus, und er reagierte nur mit einem knappen Nicken.
»Das war nach meiner zweiten Versammlung«, fuhr Toinan fort, »am Morgen nach der Lichterprozession, wenn ich mich recht erinnere. Wir hatten von einem schrecklichen Erdbeben im südlichen Teil der Wüste gehört und mussten so schnell wie möglich Magier zu den Verletzten schicken. Also haben wir den Rufstein benutzt.«
»Du weißt also, wie es geht?«, fragte Baden.
»Ja. Es ist eigentlich nicht schwierig, aber es gibt gewisse Einschränkungen, die man bedenken muss. Unsere Fähigkeit, Magier zu transportieren, ist natürlich von der Anzahl derjenigen abhängig, die ihre Macht in den Stein leiten können. Bei der geringen Zahl der hier Versammelten muss die Gruppe klein sein, gleichzeitig darf die Entfernung nicht sehr groß sein. Wir können keine Ausrüstung und keine Vorräte schicken, nur Magier und ihre Vögel. Wir können euch auch nicht zurückholen - wir können euch nur an euer Ziel schicken. Das ist einer der Gründe, wieso der Stein so selten für diesen Zweck benutzt wird. Das und die Tatsache, dass es bestimmte Gefahren mit sich bringt.« Trahn sah sie fragend an. »Welche Gefahren meinst du?« »Der Erfolg des Transports hängt von der Fähigkeit einer einzelnen Person ab, die die Verbindung zwischen den Magiern, die bleiben, und jenen, die gehen, darstellt. Diese Person muss im Stande sein, ein genaues Bild des Ziels im Geist aufrechtzuerhalten. Wenn das Bild ungenau ist, oder wenn es auch nur einen einzigen Augenblick ins Wanken gerät, könnten alle, die wir transportieren, verloren sein.«
Baden lächelte grimmig. »Dann müssen wir diese Person sorgfältig auswählen.«
Radomil wandte sich dem großen Kristall zu. »Glaubst du, der Stein wird immer noch funktionieren?«, fragte er. »Sartol hat ihn irgendwie verändert; sein Tod hat ihm vielleicht die Eigenschaften genommen, die Amarid ihm verliehen hat.«
Auch Baden sah nun den Stein an. »Schon möglich«, gab er zu. »Aber es gibt nur eine Möglichkeit, das herauszufinden.«
»Und - wohin gehen wir?«, fragte Trahn mit dem vertrauten begeisterten Grinsen.
Niemand sagte ein Wort. Orris überlegte fieberhaft, wo sich der nächste unbehauste Magier befinden mochte. In Wahrheit wusste allerdings keiner viel über die Unbehausten. Selbst der Wohlwollendste der unruhigen Geister machte den Menschen von Tobyn-Ser Angst, und die Mitglieder des Ordens, die wussten, dass auch sie vielleicht einmal unter Therons Fluch fallen könnten, sprachen selten darüber. Niemand wusste, wie viele Unbehauste es überhaupt gab, nur wenige hatten je einen unbehausten Magier gesehen, und das war meistens ein Zufall gewesen. Es gab nur zwei Orte in diesem Land, bei denen man sicher sein konnte, dort einen der umherwandernden Geister zu finden.
Einer davon war selbstverständlich Therons Hain, und der andere - »Phelans Dorn«, schlug Sonel vor und verlieh damit Orris' Gedanken Ausdruck. »Das wäre wohl die beste Möglichkeit. Es ist relativ nah, wir wissen, dass Phelan dort ist, und -«, sie holte tief Luft,»- ich habe schon einmal mit ihm gesprochen. Ich glaube, er wird uns helfen.« Verblüfftes Schweigen senkte sich über die Halle. Mehrere Magier sahen einander staunend an.
»Du hast mit dem Wolfsmeister gesprochen?«, fragte Ursel schließlich atemlos, als wüsste sie nicht so recht, ob sie das wirklich gehört hatte.
»Einmal, ja. Als ich noch jung war und mich gerade erst an meinen ersten Falken gebunden hatte, habe ich ihn aufgesucht«, erklärte sie. »Ich glaube, ich habe es wohl für eine Art Einweihungsritus gehalten, mich einem Unbehausten zu stellen - ich glaubte, es sei etwas, was ich tun musste, nachdem ich nun Mitglied des Ordens geworden war. Aber es stellte sich heraus, dass >sich stellen< das falsche Wort war. Phelan ist ein freundlicher Geist. Ich habe an ihm nichts von der Feindseligkeit oder Verbitterung wahrgenommen, die ich erwartet hatte.«
»Davon hast du mir nie erzählt«, sagte Baden leise. Sonel zuckte die Achseln. »Ich habe bis heute niemandem davon erzählt. Es war eine seltsame Erfahrung: verstörend, wie ihr euch wohl vorstellen könnt, aber es war mehr als das. Obwohl er freundlich zu mir war, hatte ich
Weitere Kostenlose Bücher