Die Chroniken von Amarid 02 - Der Kristall der Macht
Geschichten mit neugierigen Bewunderern teilte, beschrieb Phelan nie, was während jener Tage geschah, die sie im Wald des Dorns verbrachten. Aber als Phelan das nächste Mal unter Menschen erschien, hatte er sich an Kalba gebunden und war so zum Magier geworden.
Die beiden, Wolf und Mensch, segelten noch in diesem Winter vom Dorn aus nach Ceryllon und setzten sich dabei Stürmen aus, die selbst die fähigsten Seeleute abgeschreckt hätten. Viele hielten sie bereits für verloren. Aber im Frühling kehrten sie wieder zurück. Und Phelan hatte einen Stab mit einem Ceryll, dessen Silberton genau dem von Kalbas Fell entsprach. Sie reisten in diesem Jahr zur Mittsommerversammlung nach Amarid, und obwohl die Magier Phelan schließlich in den Orden aufnahmen, geschah das erst nach einer großen Debatte. Viele waren dagegen, den Orden jemandem zu öffnen, der sich nicht an einen Falken oder eine Eule gebunden hatte, und andere hatten etwas dagegen einzuwenden, dass der Wolfsmeister nie Schüler eines anderen Magiers gewesen war. Phelan jedoch beeindruckte genügend andere Magier mit seinem Mut und seiner Ehrlichkeit, so dass sie ihn unterstützten, und in den darauffolgenden Jahren rechtfertigte er ihre Entscheidung, ihn als Kollegen willkommen zu heißen. Schon sechs Jahre nach seinem Eintritt in den Orden war er Wolfsweiser, und niemand bezweifelte, dass er über die größte magische Kraft verfügte, die man seit den Tagen von Amarid und Theron in Tobyn-Ser erlebt hatte. Sein Ruf breitete sich schließlich sogar über die Grenzen dieses Landes aus, bis nach Abboriji, wo die Angst vor Phelan mögliche Invasoren beinahe zwanzig Jahre lang zögern ließ, bis der Wolfsmeister den Orden nicht mehr anführte. Es waren Jahre des Friedens und enormen Wohlstands für Tobyn-Ser, und Phelan wurde ein Held des Landes.
Im Lauf dieser Zeit wurde seine Bindung zu Kalba noch intensiver. Niemals hatten ein Magier und sein Vertrauter einander näher gestanden, sagten die Menschen damals, und zweifellos kam keine Bindung seitdem der der beiden gleich. Sie waren wie Brüder. Obwohl er Weiser war, hat Phelan nie in der Großen Halle gewohnt. Er zog es vor, im Falkenfinderwald an der Seite seines Wolfs zu leben und zu jagen. Und obwohl er ein guter Anführer war, voller Mitgefühl und ausgesprochen fürsorglich, blieb er dennoch stolz und ein Einzelgänger. Er wählte einen Ersten, weil die Bräuche des Ordens es verlangten, aber er ließ sich nie von dem Eulenmeister, den er gewählt hatte, beraten, sondern zog die Anleitung vor, die Kalba ihm geben konnte. Als Kalba schließlich vierundzwanzig Jahre nach ihrer Bindung starb, war Phelan vor Trauer vollkommen verzweifelt. So sehr, dass er schwor, sich nie an ein anderes Geschöpf zu binden.« Niall zuckte die Achseln. »Er hat sich daran gehalten.
Phelan kam weiterhin zu Versammlungen, und er behielt einen Rest seiner Macht - mehr, muss man sagen, als die meisten Magier behalten, wenn sie einen Vogel verlieren. Aber als Ungebundener musste er seine Position als Wolfsweiser aufgeben. Seine Nachfolgerin war Glenyse, die letzte Adlerweise, denn sobald die Abboriji erfuhren, dass der Wolfsweise nicht mehr Oberhaupt des Ordens war, begannen sie mit ihrer dritten und letzten Invasion von Tobyn- Ser. Vielleicht von seiner Trauer und seiner Qual getrieben, kämpfte Phelan in diesem Krieg wie ein Besessener. Seine Heldentaten, die er mit der blutigen Klinge seiner großen Axt vollbrachte, verschafften ihm im Land noch mehr Bewunderer. Aber sie konnten seinen Schmerz nicht lindern.« Der Eulenmeister zuckte ein zweites Mal die Achseln, und man sah ihm an, wie schwer ihm die folgenden Worte Fielen. »Es ist seltsam, Gesundheit und ein langes Leben als etwas anderes als einen Segen zu betrachten«, schloss er. »Aber Phelans Geschichte wird noch trauriger dadurch, dass er weitere vierzig Jahre ohne Kalba lebte. Er starb als alter Mann, selbstverständlich immer noch ungebunden, und sehr allein. Seitdem geht er auf Phelans Dorn als einer der Unbehausten um.«
Die vier Magier waren stehen geblieben. Baden hatte den Blick seiner blauen, in der Nachmittagssonne noch heller wirkenden Augen auf den Wald gerichtet, der an den Strand grenzte. »Es ist eine Geschichte, die einen traurig macht«, sagte er leise. »Aber ich nehme an, alle Unbehausten tragen als Bürde des Fluches solchen Kummer mit sich herum.«
»Das trifft sicher für einige zu«, erwiderte Alayna, »aber mir kommt Phelans Geschichte
Weitere Kostenlose Bücher