Die Chroniken von Amarid 02 - Der Kristall der Macht
Phelan sagen?«, fragte Alayna Baden, nachdem sie schon einige Zeit unterwegs gewesen waren. »Ich weiß, dass er sich an Wölfe und nicht an Vögel gebunden hat und dass er ein paar Jahre Oberhaupt des Ordens war, aber darüber hinaus habe ich nicht viel über ihn gehört.«
»Ich weiß auch nicht viel mehr als das«, antwortete Baden, »bis auf die Tatsache, dass er sich nur ein einziges Mal gebunden hat, und als sein Vertrauter starb, hat er sich entschieden, es nie wieder zu tun.«
»Entschieden?«, fragte Jaryd scharf. »Du meinst, er hat freiwillig zugelassen, dass er ungebunden starb?«
Baden nickte.
»Aber warum?«
Der Eulenmeister zuckte die Achseln. »Das weiß ich nicht.« »Aber ich«, meldete sich Niall zu Wort. Die drei anderen Magier starrten ihn an. »Als meine Schwester und ich noch klein waren, hat mein Vater uns oft Phelans Geschichte erzählt«, erklärte er. »Ich glaube, er war für meinen Vater so etwas wie ein Held. Das ist schon seltsam«, sagte er und blieb stehen, um nachdenklich in die Brandung zu starren, »denn mein Vater ist ebenfalls ungebunden gestorben.« Die anderen schwiegen und warteten, bis die Erinnerung an seinen Vater über Niall hinweggespült war. Einen Augenblick später wandte er sich wieder ihnen zu und lächelte. »Verzeih mir«, sagte er zu Alayna. »Du wolltest Phelans Geschichte hören und nicht meine.« Sie gingen langsam weiter. »Phelan kam nicht weit von hier zur Welt, im Dorf Meerholz, nahe der Stelle, an der die Halcya ins Meer mündet. Sein Vater war ein Holzfäller. Phelan hatte keine Geschwister, und er lernte seine Mutter nie kennen, denn sie war bei seiner Geburt gestorben. Sein Vater erholte sich nie vollkommen davon, seine Frau verloren zu haben, und vielleicht durch seinen Kummer bedingt waren Vater und Sohn einander von Anfang an entfremdet. Als Junge verbrachte Phelan viel Zeit allein, erforschte den Wald und die Küste in der Nähe seines Heims. Bei einer dieser Wanderungen, als er acht Jahre alt war, wurde er an einem Vorfrühlingstag von einem Schneesturm überrascht. Er war nicht auf solches Wetter gefasst und nicht dafür ausgerüstet und zu weit weg von zu Hause, um noch sicher zurückgelangen zu können. Phelan wäre beinahe gestorben.
Er versuchte, sich unter dem Laub in einem dichten Gehölz zu vergraben, in der Hoffnung, es dort warm genug zu haben, um überleben zu können. Aber, wie er später erzählte, er hatte schon vor Einbruch der Dunkelheit das Bewusstsein verloren. Als er am nächsten Morgen wieder zu sich kam, lag er in einer warmen, dunklen, stinkenden Höhle, inmitten von einer Familie von Wölfen. Es waren zwei erwachsene Tiere und mehrere Welpen.« Niall gestattete sich ein kleines Lächeln. »Einige der Legenden, die später aufkamen, lange nachdem Phelan tot war, behaupten, dass Kalba, das Tier, an das er sich später band, einer dieser Welpen gewesen war - sozusagen ein Bruder Phelans.« Der Eulenmeister schüttelte den Kopf, obwohl das Lächeln blieb.
»Das glaubst du doch nicht, oder?«, wollte Alayna wissen. »Phelan hat sich erst ein Dutzend Jahre später an Kalba gebunden, und ihre Bindung dauerte länger als jede andere in der Geschichte des Ordens. Wäre er einer dieser Welpen gewesen, hätte Kalba nicht so lange leben können.« Sie gingen ein paar Schritte weiter und lauschten einen Augenblick dem Rauschen der Brecher. »Zuerst hatte Phelan natürlich Angst«, fuhr Niall fort, und seine Stimme wurde ein wenig tiefer, als er in den Erzählfluss zurückfand. »Aber er begriff bald, dass die Wölfe ihm nichts Böses wollten, und er blieb mehrere Tage bei ihnen und aß und schlief wie sie. Als er schließlich nach Hause zurückkehrte, war er vollkommen gesund bis auf die Frostbeulen, die ihn zwei Finger seiner linken Hand kosteten. Aber danach fühlte er sich stets den Wölfen der Region verbunden, die damals als Ellibar Dorn bekannt war. Die Tiere begleiteten ihn oft auf seinen Wanderungen, und es gibt viele andere Geschichten, die diese Begegnungen beschreiben, aber wenig mit dem zu tun haben, was Phelan später als Ordensmitglied erreichte. Kurz nachdem er sein Heim verlassen hatte, als junger Mann, der sowohl seinen Weg im Leben als auch Entkommen vor den Konflikten suchte, die das verschlungen hatten, was von der Beziehung mit seinem Vater geblieben war, schloss sich ihm ein junger Wolf mit silbrigem Fell an, der ihm mehrere Tage folgte. Niemand sonst sah die beiden, und selbst als er später so viele seiner
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