Die Chroniken von Amarid 02 - Der Kristall der Macht
Männer gesehen, die es getan haben.« Sie schaute Jaryd und Trahn an. »Die da waren auch nicht dabei.«
»Die Männer, die es getan haben, sind nicht mehr da«, versicherte Alayna ihr. »Sie werden niemanden mehr töten. Und ich versichere dir, sie waren keine Söhne Amarids.«
Cailin sah sie ebenso ruhig an wie zuvor, aber sie sagte nichts. Einen Augenblick später begann sie wieder zu spielen, und sie achtete nicht mehr auf Alayna. Schließlich stand die junge Frau wieder auf und kehrte zu Jaryd, Trahn und der Dienerin zurück.
»Heute früh waren Leute hier, um sie zu besuchen«, sagte die Frau gerade zu Trahn, und die Sorge in ihrer Stimme passte zu ihrem Blick. »Sie kamen aus Aricks Tempel. Sie sagten, wenn man bedenkt, was Cailin durchgemacht hat, sollte sie bei den Söhnen und Töchtern der Göttin sein und nicht beim Orden.«
Trahn holte tief Luft. »Weiß Sonel davon?«
Die Frau nickte. »Ja. Sie sagte, wir müssten Cailin die Entscheidung überlassen.«
Sie schaute Trahn flehentlich an, als wollte sie, dass er ihr versicherte, dass Cailin ihr nicht weggenommen würde, aber der Magier zuckte nur die Achseln. »Sonel hat Recht. Wir können das Mädchen nicht gegen ihren Willen hier behalten.«
Die Frau setzte dazu an, etwas zu sagen, aber dann schwieg sie, und einen Augenblick später ging sie davon. Die drei Magier blieben noch ein Weilchen und beobachteten Cailin, die ihre Anwesenheit nicht weiter zur Kenntnis nahm. Dann kehrte Trahn in sein Zimmer im Adlerhorst zurück, aber Jaryd und Alayna schlenderten zum alten Teil der Stadt, wo sie den Rest des Morgens und den gesamten Nachmittag damit verbrachten, die gewundenen, kopfsteingepflasterten Straßen entlangzugehen, hin und wieder einen Laden zu betreten oder mit den Straßenhändlern zu sprechen, die ihre Waren von Wagen aus verkauften. Ihre Begegnung mit dem kleinen Mädchen ließ ihnen allerdings keine Ruhe. Und was sie auf den Straßen von Amarid beobachteten, beunruhigte sie ebenfalls. Einige Leute, die sie sahen, grüßten sie und wünschten den jungen Magiern den Segen der Götter, und ein paar Händler boten ihnen ihre Waren als Geschenke an - alles, wie Jaryd später begriff, als Anerkennung für die Gefangennahme der Fremden. Viele andere jedoch - zu viele andere - beobachten sie misstrauisch, und ein Mann bezichtigte die Magier sogar, die Gefangenen zu schützen, weil sie nicht wollten, dass ihre Allianz mit den Fremden bekannt wurde. Jaryd blieb stehen, um dem Mann zu widersprechen, aber Alayna war klug genug, ihn weiterzuziehen und ihn zu bitten, die Bemerkungen einfach zu ignorieren. Dennoch, diese Konfrontation und die frische Erinnerung an Cailin warf einen Schatten über diesen ansonsten wolkenlosen Tag. Am frühen Abend, als sich die Dunkelheit über Amarid senkte und die beiden Magier die Stadt auf dem Weg zum Adlerhorst abermals durchquerten, waren beide in nachdenkliches Schweigen versunken. Sie mieden die Straßen rings um die Große Halle, um den Menschenmengen auszuweichen, die immer noch dort warteten. Viele hatten inzwischen Fackeln dabei und riefen abermals danach, dass man ihnen die Gefangenen ausliefern sollte. Als Jaryd die Massen aus der Ferne sah, ihre Rufe nach Rache hörte und ihre allgemeine Ungeduld mit dem Orden bemerkte, fragte sich Jaryd, ob der Sieg über die Fremden nicht schon zu spät gekommen war.
Kurze Zeit später erreichten sie den ungepflegten Hof des Adlerhorstes. Als sie die Tür öffneten und in die Gaststube traten, in der lebhafter Betrieb herrschte, entdeckten sie Baden, Trahn und Orris in der hintersten Ecke. Die Taverne war genau, wie Jaryd sie in Erinnerung hatte: schlecht beleuchtet, voller Gerüche und sehr gemütlich. Als er das dunkle, vernarbte Holz der Tische, den massiven Leuchter und den verkratzten Holzboden sah und die schwere Luft einatmete, in der die Gerüche von Wein, Pfeifenrauch und Bratenfleisch hingen, verstand er endlich, wieso Baden Jahr um Jahr wieder hierher zurückkehrte. Trotz der finsteren Stimmung, in die ihn dieser schwierige Tag versetzt hatte, hatte er das Gefühl, nach Hause gekommen zu sein.
Als er zusammen mit Alayna auf Badens Tisch zuging, hörte er, wie eine Frauenstimme von der Theke aus nach ihm rief. Und als er sich umdrehte und in diese Richtung schaute, sah er, wie Kayle auf ihn zukam, das vertraute, ein wenig schiefe Grinsen auf den Lippen, während sie sich eine Strähne hellen Haars, die sich aus dem Zopf gelöst hatte, aus der Stirn strich.
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