Die Chroniken von Amarid 02 - Der Kristall der Macht
weitere Nals in Lon- Ser, und wenn man unserem Freund glauben kann, ist Bragor das größte. Es handelt sich um riesige Städte, unabhängig wie Amarid, aber viel größer und mit tausendmal mehr Einwohnern. Und«, fügte er hinzu und holte tief Luft, »sie sind vollkommen auf Geräte von jener Art angewiesen, wie sie die Männer dabeihatten, um die Dörfer anzugreifen.«
Orris sah Baden fragend an. »Wie meinst du das?« »Das lässt sich schwer erklären«, erwiderte Baden. »Viele Worte, die Baram benutzt hat, stammten aus seiner Sprache und ließen sich nicht übersetzen. Und vieles, von dem er sprach, war uns vollkommen fremd.« Er warf Trahn einen Blick zu. »Bei allen gemeinsamen sprachlichen Wurzeln haben sich unsere Länder im Lauf der Jahrhunderte doch sehr unterschiedlich entwickelt.« Nun sah er wieder Orris an. »Aber soweit ich es verstehe - und Sonel und Radomil sind der gleichen Ansicht -, scheint es, dass diese ... Kraft, die sie haben, mehr als nur eine Waffe ist. Es ist eine Art zu leben. Sie nutzen sie, um zu kommunizieren, zu reisen, Dinge und Lebensmittel herzustellen, und auch, um Kriege zu führen.«
Trahn fuhr sich mit der Hand übers Gesicht. »Du behauptest also, die Menschen in Bragor-Nal könnten alles, was sie brauchen, künstlich herstellen, indem sie Werkzeuge benutzen?«
»Sie können nicht«, entgegnete Baden. »Sie müssen. Wenn ich sage, dass Lon-Ser noch zwei andere Nals hat, dann heißt das im Grunde, dass es nichts anderes gibt. Wenn man Baram glauben kann, besteht Lon-Ser aus Nals und Bergen. Das ist alles. Es gibt beinahe kein Weideland, nur ein paar kleine Flecke Wald, Wüste oder Ebene. Es gibt nur Städte und Berge. Und in den Bergen wohnen nur wenige Menschen. Alles, was sie brauchen, stellen sie her. Wie zum Beispiel diese großen schwarzen Vögel.«
»Nur drei Städte«, sagte Trahn, und die Ehrfurcht in seiner Stimme spiegelte Jaryds eigene Empfindungen wider. »Und sie bedecken ein so großes Land wie Tobyn-Ser. Das kann ich mir nur schwer vorstellen.«
Für einige Zeit sagte niemand mehr etwas. Jaryd lauschte den Geräuschen der Taverne, aß zerstreut ein paar Löffel Eintopf und versuchte, sich eine Gesellschaft vorzustellen, die ganz auf mechanisch hergestellten Gütern beruhte, eine, in der alle in Städten lebten, die viel größer waren als jene, in der sie sich gerade aufhielten. Er konnte es sich einfach nicht ausmalen. Jedes Mal, wenn er es versuchte, sah er nur seine Mutter, die zu Hause in Accalia das Feld bearbeitete, oder seinen Vater, wie er vor dem Haus Feuerholz hackte.
Nach ziemlich langer Zeit regte sich Alayna, als erwache sie aus einem Traum. Sie sah Baden an. »Hast du etwas darüber in Erfahrung bringen können, wieso sie hergekommen sind und was sie von uns wollen?«
»Ja«, erwiderte Baden mit einem dünnen, freudlosen Lächeln. »Es ist wohl kaum eine Überraschung, dass sie von uns das haben wollen, was sie selbst nicht mehr haben.«
Orris neigte den Kopf zur Seite. »Aber du hast uns gerade gesagt, dass sie alles herstellen können, was sie brauchen.« »Ja. Aber auch sie können den Naturgesetzen nicht entgehen: Sie haben keinen Platz mehr, und ihnen fehlen die Materialien, mit denen sie ihre technische Entwicklung bisher beschleunigt haben.« Er zögerte. »Um ehrlich zu sein, ich habe nicht alles verstanden, was er gesagt hat, aber es scheint, dass sie zwar alles herstellen können, was sie brauchen, aber das geht nicht ohne das, was er Rohstoffe nannte, und das schließt offenbar all das ein, was auch wir benutzen, um etwas herzustellen: Holz, Metalle und Mineralien und die anderen Gaben des Landes, die wir für selbstverständlich halten.«
»Sie wollen also unser Land«, warf Jaryd ein. Baden nickte. »Unser Land, alles, was dort wächst und alles, was daraus zu gewinnen ist. Aber es geht um noch mehr. Sie brauchen nicht nur dieses Material, sie brauchen auch Platz. Ihre Städte - diese Nals - sind zu eng geworden; sie haben die Atemluft verschmutzt und ihr Trinkwasser verseucht. Kurz gesagt, sie suchen eine neue Heimat, oder zumindest eine zusätzliche Heimat. Und wir haben genau das, was sie brauchen.« Er sah Jaryd und Alayna an. »Was Theron euch darüber gesagt hat, dass ihre Taktik ihre Schwächen enthüllt, war noch wichtiger, als wir geglaubt hatten.«
»Es scheint nicht so, als ob sich ihre Bedürfnisse sonderlich von dem unterschieden, was der Grund für die Abboriji- Invasionen war«, sagte Trahn. »Warum gehen sie
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