Die Chroniken von Amarid 02 - Der Kristall der Macht
etwas anderes.
Etwas an der Haltung des Eulenmeisters bewirkte, dass Sartol sich plötzlich sehr unbehaglich fühlte. »Was ist mit den Zeitpunkten?«, fragte er in der Hoffnung, das Gespräch im Gang zu halten.
»Wie bitte?«
»Die Zeitpunkte der Angriffe? Hast du da irgendwelche Muster erkennen können?«
»Oh, hm ... nein. Da auch nicht«, murmelte Baden. Sein schmales Gesicht war bleich geworden.
»Stimmt etwas nicht, Baden?«, fragte Sartol besorgt. »Du siehst nicht gut aus.«
Baden lächelte gezwungen. »Schon gut«, versicherte er. »Ich bin nur... vollkommen erschöpft, und ich muss mich entschuldigen, dass ich so zerstreut bin. Ich glaube, dieser anstrengende Ritt und das, was am Hain passiert ist, haben mich wirklich verstört. Ich kann so viel über diese Angriffe nachdenken, wie ich will, aber solange ich so übermüdet bin, werde ich wohl nichts Neues herausfinden, wie?« »Wahrscheinlich nicht«, stimmte Sartol ihm zu. »Wir sollten schlafen. Wir haben morgen wieder einen langen Tag vor uns.«
»Das ist wahr«, sagte Baden und legte sich ins Gras. »Danke, dass du mich aus meinem Schneckenhaus geholt hast, Sartol. Es hat mir sehr geholfen, einmal über diese Dinge zu sprechen.«
»Gut«, erwiderte Sartol und suchte sich einen Platz, an dem auch er sich niederlegen konnte. »Ich bin froh, dass du mir erzählt hast, worüber du nachdenkst. Gute Nacht.« »Gute Nacht.«
Sartol schloss die Augen, aber er hielt sich bewusst wach und konzentrierte sich intensiv auf Badens Atemrhythmus. Irgendetwas hatte den Eulenmeister beunruhigt. Vielleicht waren es ja wirklich, wie er behauptete, nur die Übermüdung und die Anstrengungen der letzten Tage, und dann würde er schnell einschlafen. Sartol fürchtete allerdings, dass mehr dahinterstecken könnte, dass Baden sich vielleicht an eine Einzelheit der Nacht am Hain erinnert hatte, die in irgendeiner Weise von seiner, Sartols, Schuld zeugte, oder er hatte bei dem Gespräch dieses Abends irgendetwas erfahren, das ihn misstrauisch gemacht hatte. Also lag Sartol im Gras und lauschte. Er brauchte nicht lange zu warten. Innerhalb kürzester Zeit wurden Badens Atemzüge tiefer und verlangsamten sich zu dem gleichmäßigen Rhythmus tiefen Schlafes. Und Sartol war unendlich erleichtert und grinste im Dunkeln. Er mahnte sich, in Zukunft besser die Fassung zu bewahren; er musste damit aufhören, ohne jeden Grund derart in Panik zu geraten. Er musste einfach aufhören, nach Krisen zu suchen, die gar nicht existierten. Badens Schwäche lag in seiner Ehrlichkeit, in seinem Mangel an Heimtücke und in seiner Unfähigkeit, solches Verhalten bei anderen zu erkennen. Der Eulenmeister glaubte ihm, das war offensichtlich; und solange Sartol ihn im Auge behielt, hatte er nichts zu befürchten. Plötzlich fühlte er sich übermütig: Es würde nur noch ein paar Tage dauern, dann würde er mit Badens Hilfe zum Eulenweisen gewählt werden. Und danach würde Tobyn-Ser ihm gehören.
Als Baden ausgestreckt im Gras lag, hatte er gewaltig mit der eisigen Panik zu kämpfen, die ihn kurze Zeit zuvor erfasst hatte. Seine Gedanken überschlugen sich angesichts der möglichen Bedeutung seines Gesprächs mit Sartol. Es war eine so kleine Sache gewesen, und dennoch konnte sie große Gefahr bedeuten.
Trahn hatte ihn wiederholt vor Sartols Tücke gewarnt, aber Baden hatte zwar zugehört, die Warnungen aber nicht wirklich ernst genommen. Sartols Version dessen, was bei Therons Hain geschehen war, war ihm vollkommen glaubwürdig erschienen, und er hatte keinen Grund gehabt zu bezweifeln, dass Orris den Orden und das Land verraten hatte. Bis zu diesem Abend.
Aber nun hatte Baden den Angriff auf Tobyns Ebene erwähnt und sich dann daran erinnert, dass Sartol ja noch gar keine Einzelheiten über diesen jüngsten Vorfall bei Kaera wissen konnte. Also hatte er dazu angesetzt, es zu erklären. Aber das war nicht nötig gewesen: Irgendwie hatte Sartol schon von dem Angriff gewusst. Baden dachte wieder an diese letzte, chaotische Nacht bei Therons Hain und versuchte, die Ereignisse vor seinem geistigen Auge wieder erstehen zu lassen. Nachdem er und Trahn die Pferde in Sicherheit gebracht hatten, war Orris zu ihnen gekommen, um ihnen von dem Überfall auf Kaera zu erzählen. Dann hatte der kräftige Falkenmagier sich aufgemacht, um Jessamyn zu suchen. Der Schrei der Eulenweisen war nicht lange danach erklungen. Sartol selbst hatte berichtet, dass er Orris erst begegnet war, als der Falkenmagier schon
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