Die Chroniken von Amarid 02 - Der Kristall der Macht
verstärkte. Aber Trahn hatte sich entweder täuschen lassen oder er hatte den Orden ebenfalls verraten. Orris zog es vor, das Erstere zu glauben.
Als er die Leichen von Jessamyn und Peredur gefunden und Sartol danach angegriffen hatte, als dieser die jungen Leute in Therons Hain trieb, war Orris davon ausgegangen, dass es Sartol allein gewesen war, der sie alle betrogen hatte. Der Eulenmeister war unglaublich stark gewesen; Orris hätte niemals geglaubt, dass ein Magier solche Macht haben könnte. Er hatte gehofft, Sartol töten oder ihn zumindest außer Gefecht setzen zu können, aber er hatte bald begriffen, dass er sich glücklich schätzen könnte, wenn er in der Lage wäre, mit dem Leben davonkommen und Jaryd und Alayna retten zu können. Am Ende war ihm nicht einmal das gelungen. Er selbst hatte überlebt, aber er hatte Pordath verloren. Für die jungen Magier hatte er nichts mehr tun können. Also war er ins Lager zurückgekehrt, in der Hoffnung, Baden und Trahn dort zu finden und sie zu Hilfe rufen zu können. Und er war entsetzt gewesen, die drei zusammen zu sehen, wie sie offenbar ihren nächsten Schachzug planten. Er hatte nicht hören können, was sie sagten, aber er hatte sie beobachtet, und bald schon hatte er herausgefunden, dass zumindest einer von ihnen - Trahn, nahm er an - nichts mit der Verschwörung zu tun hatte. Sicher, die Eulenmeister hatten Scheiterhaufen für Jessamyn und Peredur errichtet, um Trahn weiterhin etwas vorzumachen - eine Theorie, die sie am nächsten Morgen bestätigten, als sie zusammen davonritten und Trahn bei Therons Hain zurückließen. Es war klar, dass Orris nicht mit absoluter Sicherheit davon ausgehen konnte, dass seine Annahmen stimmten - immerhin war es durchaus auch möglich, dass sich Sartol und Trahn miteinander verschworen hatten oder dass Sartol alleine arbeitete. Orris konnte nichts davon beweisen. Also hatte er darauf verzichtet, Trahn die Kehle durchzuschneiden, und auch nicht versucht, sich mit dem Falkenmagier zusammenzutun, sondern nur ein Pferd gestohlen und die anderen freigelassen. Das hatte ihm zumindest Gelegenheit gegeben, aus der Umgebung des Lagers zu fliehen und mit der Verfolgung der Eulenmeister zu beginnen.
Je mehr er allerdings darüber nachdachte - je mehr er daran dachte, wie wichtig es Baden gewesen war, diese Delegation zu Therons Hain zu führen, und daran, wie Sartol sich verhalten hatte -, desto sicherer wurde Orris, dass die beiden zusammengearbeitet hatten, um das Ansehen des Ordens bei der Bevölkerung zu verderben, Jessamyn und Peredur umzubringen und sich schließlich zu Herrschern von Tobyn-Ser aufzuschwingen. Es war schon seltsam: Es war ihm offenbar wichtig glauben zu können, dass Trahn nichts damit zu tun hatte. Er mochte den Mann; zusammen mit Ursel und ein paar jüngeren Magiern war Trahn wohl am ehesten jemand, den Orris im Orden als Freund ansah. Orris bedauerte nun, dass er die Pferde freigelassen hatte, statt mit Trahn zu reden. Es wäre hilfreich gewesen, einen Magier an seiner Seite zu haben, der noch über seine vollständige Kraft verfügte, und Orris musste zugeben, dass ihm die Gesellschaft des anderen Mannes gut getan hätte. Er schüttelte den Kopf. Da war es wieder, dieses Gefühl der Leere und Hilflosigkeit, das ihn seit Pordaths
Tod immer wieder heimsuchte. Er musste eine Möglichkeit finden, es hinter sich zu lassen oder es zumindest zu beherrschen, bis er Sartol und Baden getötet hatte. Dann würde er um seinen Vogel trauern.
Er hätte nicht sagen können, wann er entschieden hatte, die beiden Eulenmeister zu töten. In Wahrheit wäre es sogar unzutreffend gewesen, von einer »Entscheidung« zu sprechen. Sartol und Baden hatten Jessamyn und Peredur umgebracht und wahrscheinlich auch Alayna und Jaryd. Und obwohl sie vermutlich die Angriffe auf die Dörfer nicht selbst durchgeführt hatten, waren sie auch für die Morde bei Sern und in Kaera verantwortlich. Die Eulenmeister hatten ohne jeden Zweifel den Tod verdient. Vor allem aber mussten sie aufgehalten werden. Ihre Flucht nach Amarid war ein weiterer Beweis dafür, dass sie planten, einen von ihnen, wahrscheinlich Sartol, zum Eulenweisen zu machen. Das durfte Orris nicht zulassen.
Es würde allerdings schwer werden, sie zu töten, besonders jetzt, da er kaum mehr als einen kläglichen Rest seiner früheren Kräfte besaß. Instinktiv legte er die Hand an den Griff seines Dolches, den er in den Falten seines Umhangs verborgen hatte. Wieder lächelte er
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