Die Chroniken von Amarid 03 - Das dunkle Herz von Lon Ser
ist bereits sehr kalt geworden.« Er schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte er entschlossen. »Ich bin immer noch der Träger des Steins, und es ist meine Entscheidung. Es wäre zu gefährlich, eine ganze Gruppe zu schicken. Ich muss alleine gehen; ich darf andere nicht ebenfalls in Gefahr bringen.« Er wusste, dass diese Worte nicht ganz der Wahrheit entsprachen. Es war selbstverständlich Urias, der das Thema aufbrachte. »Wirst du den Stein mitnehmen, Gwilym?« »Selbstverständlich wird er das tun!«, rief Hertha, bevor Gwilym antworten konnte. »Wir haben ihn zum Steinträger gewählt. Jetzt liegt die Entscheidung bei ihm.« Der jüngere Mann hob beschwichtigend die Hände. »Ich wollte nicht respektlos sein, Hertha«, sagte er und fügte dann mit einem Blick zu Gwilym hinzu: »Wirklich nicht.« »Das weiß ich, Urias«, versicherte Gwilym ihm. Er warf Hertha einen Blick zu, der ihr sagte, sie solle sich bitte benehmen. Sie hatte Urias nie leiden können. Sie hielt ihn für unverschämt, und sie war der Ansicht, dass er Gwilyms Entscheidungen als Oberhaupt der Siedlung zu oft und zu übereilt in Frage stellte. Sie hatte damit vielleicht sogar Recht. Aber Gwilym hielt diese Eigenschaften im Grunde für erfreulich. Urias würde vielleicht eines Tages den Stein selbst tragen, und ein zukünftiger Anführer brauchte klare Ansichten. Siarl hatte ihm einmal erzählt, dass einige der älteren Gildriiten auch Gwilym für arrogant gehalten hatten, als er noch jünger war, und obwohl Gwilym gekränkt war, als Siarl ihm das sagte, begriff er bald, dass die Ältesten wahrscheinlich Recht gehabt hatten.
Und was diese Sache anging, war Urias' Sorge nur zu gerechtfertigt. Gwilym würde lange unterwegs sein und sich an einen sehr gefährlichen Ort begeben. Die Chancen, dass er zurückkehrte, waren nicht allzu groß. Und der Stein war der mit Abstand wertvollste und wichtigste Gegenstand in der Siedlung. Er war, wie Gwilym zugeben musste, für das Dorf wichtiger als jede einzelne Person, sogar sein Träger. Immerhin war es einer der ursprünglichen Steine, die von Gildri und seinen Anhängern aus Tobyn-Ser mitgebracht worden waren. Es waren nur noch fünf übrig. Jede Siedlung hatte einen, und sie befanden sich immer noch auf den Stäben, die Gildri und die anderen Zauberer benutzt hatten. Als Oberhaupt dieser Siedlung, als Träger des Steins, war Gwilym verantwortlich für ihn. Den größten Teil des Tages hatte er sich mit der Frage beschäftigt, ob er das Recht hatte, ihn mitzunehmen. Sicher, sie hatten ihn zum Träger gewählt, aber der Stein gehörte dem Dorf, nicht ihm.
Und genau das versuchte Urias jetzt zu sagen. »Der Stein ist schon in diesem Zeltkreis gewesen, bevor unsere Großeltern zur Welt kamen«, erklärte der junge Mann. »Seine Träger haben ihm mehr Farben verliehen, als wir uns vorstellen können. Er ist ein Teil von dem, was wir sind. Ich möchte dein Urteilsvermögen oder deine Autorität nicht anzweifeln, Gwilym. Aber - und es tut mir Leid, dass ich das so direkt sagen muss, Hertha - es könnte sein, dass du nicht wiederkehrst, und dann wäre der Stein für immer verloren!«
Mehrere andere riefen Urias zu, er solle still sein. »Du versuchst die Götter!«, sagte Siarl zornig, und seine dunklen Augen blitzten unter dem dichten silbernen Haar. »Gwilym wird heil zurückkehren, ebenso wie dein kostbarer Stein!« »Mögen deine Worte ihren Weg in deine Träume finden, mein Freund«, sagte Gwilym mit einem liebevollen Blick zu Siarl. »Aber Urias hat Recht: Es könnte sein, dass ich nicht zurückkehre, und dann wäre der Stein verloren.« Angespanntes Schweigen breitete sich in der Halle aus, als alle ihn erwartungsvoll ansahen. »Ich habe lange darüber nachgedacht«, fuhr er fort, »und ich glaube, man könnte sich für beides aussprechen. Einerseits gehört der Stein uns allen; er gehört dieser Siedlung. Aber er gehört auch zu seinem Träger, und es könnte sein, dass ich ihn brauche, um den Zauberer zu überzeugen, dass ich ein Freund bin und ihm helfen kann.«
Urias nickte. »Du hast also beschlossen, ihn mitzunehmen«, sagte er vorwurfsvoll.
Gwilym biss die Zähne zusammen. Genug war genug. »Ja«, erwiderte er entschlossen. »Ich habe beschlossen, dass ich ihn mitnehme, wie es mein Recht als Oberhaupt dieser Siedlung ist. Aber wenn du es unbedingt wissen willst, Urias, es war keine Entscheidung, zu der ich von alleine gekommen bin. In der Vision, die mir die Götter gesandt haben, hatte ich den
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