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Die Chroniken von Amarid 03 - Das dunkle Herz von Lon Ser

Die Chroniken von Amarid 03 - Das dunkle Herz von Lon Ser

Titel: Die Chroniken von Amarid 03 - Das dunkle Herz von Lon Ser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David B. Coe
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war mit Abstand die größte der fünf gildriitischen Siedlungen. Oder, um genauer zu sein, es hatte die meisten Einwohner. Hier wohnten beinahe doppelt so viele Menschen wie in Gwilyms Dorf, und dabei war der eigentliche Zeltkreis kaum größer als der, den Gwilym an diesem Morgen verlassen hatte. Alles wirkte enger: Die Zelte standen dichter beieinander, Rauch von vielen Kochfeuern mischte sich zu einem nicht mehr zu deutenden Durcheinander von Gerüchen; und die Geräusche von spielenden Kindern und Eltern, die nach ihren Söhnen und Töchtern riefen, erfüllten den Kreis. Das war nicht, so dachte Gwilym, die Art von Leben, die er selbst bevorzugte. Merkwürdig, wenn man bedachte, wohin er unterwegs war.
    »Gwilym!«, erklang eine Stimme hinter ihm. »Welchem Umstand verdanke ich dieses unerwartete Vergnügen?« Gwilym drehte sich um, als Oswin gerade aus dem Zelt kam, den Stab mit dem türkisfarbenen Stein in der einen, einen Becher Glühwein in der anderen Hand. Oswin war ein hoch gewachsener, kräftiger Mann, aber obwohl er immer noch ein rosiges Gesicht hatte, schien er in dem Jahr, seit Gwilym ihn zum letzten Mal gesehen hatte, stark gealtert zu sein. Von den fünf Trägern, die derzeit die gildriitischen Siedlungen leiteten, hatte Oswin seinen Stein am längsten getragen, was ihn in gewisser Weise zum Anführer aller Gildriiten machte. Gwilym wusste es nicht genau, aber er nahm an, dass Oswin mindestens fünfzehn Jahre älter war als er. Vielleicht sogar mehr. Es hätte ihn also nicht überraschen sollen, dass Oswin gebeugter ging, als Gwilym es in Erinnerung hatte, und dass sein Haar schütter und weiß geworden war. Der ältere Mann lachte allerdings immer noch gerne, und seine hellen blauen Augen wirkten klar und lebendig.
    »Schön, dich zu sehen, Oswin«, sagte Gwilym und legte die Hände auf die Schultern des Steinträgers. Er nickte zu Oswins Weinbecher hin. »Ich hoffe, ich störe dich nicht beim Abendessen.«
    »Nicht im Geringsten«, erwiderte Oswin grinsend. »Breatta und ich haben nur gerade ein bisschen gefeiert, dass wir mit der Ernte fertig sind. Darf ich dir einen Becher anbieten?«
    »Ja, danke, das wäre schön.«
    »Breatta, meine Liebe!«, rief Oswin ins Zelt. »Wir haben Besuch! Könntest du noch einen Becher Wein bringen?« »Sofort!«, erklang eine angenehme Stimme von drinnen. »Solltest du nicht noch mit der Ernte beschäftigt sein?«, fragte der Träger und wandte sich wieder Gwilym zu. »Oder hast du die schwere Arbeit lieber Hertha überlassen?« Gwilym versuchte zu lächeln. Aber bei der Erwähnung von Herthas Namen spürte er einen Stich im Herzen. Oswin war das offenbar aufgefallen, denn sein Lächeln war verschwunden, und nun stand Sorge in seinem Blick. Aber bevor er noch eine Frage stellen konnte, kam Breatta mit dem Wein aus dem Zelt, und als sie Gwilym sah, lächelte sie strahlend.
    »Gwilym! Was für eine angenehme Überraschung!«, sagte sie und umarmte ihn, bevor sie ihm den dampfenden Weinbecher reichte. Wie Oswin war auch Breatta im vergangenen Jahr älter geworden. Sie war immer zierlich gewesen, aber nun sah sie beinahe zerbrechlich aus, und ihr rötlich braunes Haar hatte Silbersträhnen. Dennoch, sie war immer noch eine attraktive Frau mit zartem Knochenbau und hellgrünen Augen. Sie sah sich rasch um, dann schaute sie wieder Gwilym an. »Ist Hertha nicht mitgekommen?«
    Gwilym wandte den Blick ab. »Nein, leider nicht. Sie lässt euch beide grüßen.« Eine Halbwahrheit; sie hätte es getan, wenn sie gewusst hätte, dass Gwilym plante, hier Halt zu machen.
    »Vielleicht sollte ich euch beide einen Moment allein lassen«, schlug Breatta vor. »Ich sehe mal, ob ich aus all diesen hübschen Wurzeln und dem Salat, den wir heute geerntet haben, ein Abendessen zaubern kann.« Sie lächelte Gwilym an. »Du bleibst doch zum Abendessen, oder?«
    »Es wäre mir eine Ehre, Breatta.«
    »Und wir werden sicher auch den zweiten Strohsack brauchen, Liebes«, warf Oswin ein. »Ich denke, unser Freund hier braucht einen Schlafplatz. Habe ich Recht?«
    Gwilym musste lachen. »Ich fürchte, ja. Freunde auf Reisen können eine ziemliche Plage sein, wie?«
    »Unsinn!«, schnaubte Breatta und machte sich wieder zum Zelt auf. »Wir freuen uns, Gwilym. Und lass dir von meinem mürrischen Mann bloß nichts anderes erzählen.« Einen Augenblick später waren die beiden Träger allein. »Danke, Oswin!«, sagte Gwilym und trank einen Schluck Wein. »Du und Breatta, ihr seid immer gut zu mir

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