Die Chroniken von Amarid 03 - Das dunkle Herz von Lon Ser
dem Blick gesegnet ist, bin ich sicher, dass du mich verstehst.«
»Ich habe es noch nicht gelernt, dem Blick derart zu vertrauen«, gab Kham zu.
»Es braucht seine Zeit«, tröstete Gwilym. »Ich hätte so etwas in deinem Alter auch nicht getan. Was dumm ist, denn inzwischen bin ich wahrscheinlich zu alt dazu.«
Kham lachte, ebenso wie Oswin.
»Gibt es nicht noch etwas, was du uns sagen kannst, Kham?«, fragte der ältere der beiden Träger. »Noch etwas, das Gwilym wissen sollte?«
Der Mann schüttelte den Kopf. »Die Karten sollten hilfreich sein, aber darüber hinaus wirst du dich auf die Leute vom Netzwerk verlassen müssen. Wir haben unsere Routen und Treffpunkte mehrmals im Jahr verändert, damit die Sicherheitsleute uns nicht auf die Spur kommen. Wahrscheinlich ist nichts, was ich dir sonst sagen könnte, noch etwas wert. Bis auf diese Stelle am Schluchtenfluss. Die ist relativ beständig, für den Fall, dass Leute wie ich wieder ins Nal zurückkehren wollen. Wenn du bis dorthin kommst, solltest du einigermaßen sicher sein.«
Gwilym nickte. »Ich werde es versuchen. Danke, Kham.« Kham faltete die Landkarten, stand auf und reichte sie Gwilym. »Keine Ursache. Ich wünsche dir, dass du sicher an dein Ziel gelangst, Träger. Arick möge dich behüten.« Oswin legte dem Mann kurz die Hand auf den Arm, dann kehrten er und Gwilym zurück zum Zelt, wo Breatta schon wartete.
Sie hatte das Abendessen bereits auf dem Tisch. Es war eine angenehme Mahlzeit, wenn auch, wie Gwilym dachte, nicht annähernd so gut gewürzt wie die Mahlzeiten, die er und Hertha zusammen gekocht hatten. Dieser Gedanke löste selbstverständlich wieder schreckliches Heimweh aus, und kurz nachdem die drei mit dem Essen fertig waren, zog sich Gwilym mit der Ausrede, er müsse früh weiterziehen, auf seinen Strohsack zurück.
Dort lag er noch lange wach. Und obwohl er Hertha schrecklich vermisste, dachte er vor allem über sein Gespräch mit Kham nach. Trotz der Warnungen des Mannes hatte es Gwilym ermutigt, von diesem Netzwerk zu erfahren und nun mehr über die Nals zu wissen. Zum ersten Mal seit seiner Vision glaubte Gwilym wirklich, dass er die Reise überleben und den Fremden rechtzeitig finden könnte. Dort drunten gab es Gildriiten, Männer und Frauen wie ihn, die vielleicht verstehen würden, wie wichtig das war, was er in seinem Traum gesehen hatte, und die begriffen, dass er das Leben dieses Zauberers unbedingt retten musste.
9
I ch habe mich häufig gegen übermäßig ehrgeizige Reaktionen auf die Untaten der Eindringlinge aus Lon-Ser ausgesprochen. Das brauche ich jetzt nicht mehr zu wiederholen. Die Tatsache, dass sich meine Argumente wieder und wieder durchgesetzt haben, sollte für sich selbst sprechen. Ich fühle mich allerdings gezwungen, eine Anmerkung zu dem bestürzenden Vorschlag zu machen, der bei der Versammlung in diesem Sommer vorgebracht wurde: Dass der Ausländer Baram irgendwie als ein Beweis dienen könnte, den unsere Botschafter den Anführern von Lon-Ser anbieten könnten, falls wir dumm genug sein sollten, überhaupt Botschafter zu schicken. Ich hätte jene, die diese widerwärtige Idee unterstützten, eigentlich nicht erst daran erinnern müssen, welch schreckliche Verbrechen der Fremde gegen dieses Land und sein Volk begangen hat. Auch nur anzudeuten, dass man ihm gestatten sollte, frei umherzuziehen und in seine Heimat zurückzukehren, besudelt das Andenken an Jessamyn, Peredur, Niall und an jeden anderen Mann, jede Frau und jedes Kind, die in direkter oder indirekter Folge der Gewalttätigkeit dieses Mannes gestorben sind. Die Bürger von Tobyn-Ser schlafen besser, weil sie wissen, dass der Fremde im Gefängnis steckt, und sie werden noch besser ruhen, wenn er endlich hingerichtet wurde, wie es schon vor langer Zeit hätte geschehen sollen.
Aus der »Antwort auf den Bericht von Eulenmeister Baden über seine Verhöre des Fremden Baram«, eingereicht von Eulenmeister Erland im Herbst des Gottesjahres 4625.
Diese ganze Sache war weit schlimmer, als er sich je hätte vorstellen können. Und nun gab es kein Zurück mehr. Es hatte nicht lange gedauert, bis er das begriffen hatte, obwohl er es sich in den ersten ein oder zwei Wochen nur sehr ungern eingestanden hatte. Aber es gab nichts, was er dagegen tun, niemanden, an den er sich um Hilfe wenden konnte, und ihm fiel keine Möglichkeit ein, das ungeschehen zu machen, was er getan hatte. Mit Sicherheit konnte er nicht einfach zurückkehren, Baram
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