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Die Chroniken von Amarid 03 - Das dunkle Herz von Lon Ser

Die Chroniken von Amarid 03 - Das dunkle Herz von Lon Ser

Titel: Die Chroniken von Amarid 03 - Das dunkle Herz von Lon Ser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David B. Coe
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wir haben!«
    Baram starrte ihn zornig an, während er weiter kaute, was er sich schon genommen hatte, aber er versuchte nicht, die Beutel wiederzubekommen, als Orris sie in die Taschen seines Umhangs steckte.
    »Gehen wir weiter«, befahl der Magier und bedeutete Baram mit einer Geste aufzustehen. »Wir haben schon viel zu viel Zeit verschwendet.«
    Baram erhob sich langsam und begann, den Weg entlang zu schlurfen, und Orris folgte ihm. Den Rest des Tages setzten sie ihren langsamen, aber stetigen Aufstieg fort. Zum Glück schien der Fremde trotz ihres jämmerlich langsamen Tempos wirklich froh, dem Gefängnis entkommen zu sein. Er verbrachte den größten Teil des Tages damit, sich regelrecht gierig umzusehen und die Umgebung in sich hineinzusaugen, wie trockene Erde einen Mittsommerregen aufsaugt. Wenn sie Rast machten, legte er sich auf den Boden, die Augen geschlossen, das Gesicht der Sonne entgegengehoben. Später am Nachmittag, als ein kleines Gewitter aufzog, versuchte er erst gar nicht, sich unterzustellen, sondern schien jeden Regentropfen, der auf ihn fiel, zu genießen. Orris hielt es für reine Ironie, dass ein Mann, dessen Ziel es einmal gewesen war, Tobyn-Ser zu zerstören, nun so viel Freude an dem Land finden konnte. Aber was wichtiger war, Barams Zufriedenheit mit seiner neu gefundenen Freiheit machte ihn wenigstens einigermaßen umgänglich. Er konnte sich zwar nicht schnell bewegen, aber er war zumindest an diesem ersten Tag willig, sich überhaupt zu regen. Am Abend allerdings begann der Ärger. Nach einem leichten Abendessen bedeutete Orris dem Fremden so gut er konnte, dass nun die Zeit zum Schlafen gekommen war. Aber statt Orris' Beispiel zu folgen und sich neben das Feuer zu legen, blieb Baram sitzen, die Knie an die Brust gezogen. Und einen Augenblick später begann er, sich leicht hin und her zu wiegen und leise vor sich hin zu murmeln. Es war nicht so laut wie am Abend zuvor in seiner Zelle, aber selbst ohne die Worte zu verstehen, erkannte Orris sie wieder. Es war dieselbe Rezitation. Wieder fragte sich der Magier, ob es irgendetwas mit Religion zu tun hatte, aber nachdem er den Mann den ganzen Tag lang beobachtet hatte und nun bemerkte, wie Barams Blick unruhig von einer Seite zur anderen zuckte, hatte der Magier gewisse Zweifel an dieser Erklärung. Das hier, erkannte er plötzlich, und sein Magen zog sich zusammen, war kein Ritual, sondern ein Zwang, der aus der Gefangenschaft und Isolation entstanden war. Und in diesem Augenblick verstand er auch, dass es nicht so bald aufhören würde. Es war am Abend zuvor, als Orris und der Wärter Baram hellwach und rezitierend vorgefunden hatten, vollkommen dunkel in der Zelle gewesen, und Orris konnte nur annehmen, dass der Fremde seine Litanei bis zur Morgendämmerung hatte aufrechterhalten wollen. Genau, wie er es an diesem Abend vorhatte.
    Und das war ein Problem, erkannte der Magier nun, als er dort neben dem Feuer lag. Solange der Fremde wach blieb, würde auch Orris nicht schlafen können. Und wenn sie nachts beide nicht schliefen, würden sie am Tag noch langsamer vorankommen als heute. Das konnte Orris nicht zulassen. Sie mussten sich unbedingt beeilen. Wenn man sie entdeckte, würde man Orris des Verrats bezichtigen, ihn aus dem Orden ausstoßen und wahrscheinlich hinrichten. Und selbstverständlich würde auch Baram hingerichtet werden. Orris musste sie zur Lon-Tobyn-Landenge bringen, die beinahe vierhundert Meilen entfernt war, und das so schnell wie möglich.
    Leider konnte er Baram nicht zum Schlafen zwingen. Der Magier hatte große Macht, aber nicht so große. Wenn er ihn nicht einfach bewusstlos schlagen würde, was nach ein paar Minuten ununterbrochenen Rezitierens schon sehr verlockend schien, war Orris machtlos und konnte nur hoffen, dass Barams Erschöpfung schließlich seine Besessenheit überwiegen würde.
    Am Ende schlief der Falkenmagier tatsächlich ein wenig, wenn auch nicht viel und nicht mit Absicht. Es gelang ihm, den größten Teil der Nacht wach zu bleiben, aber kurz vor der Dämmerung schlief er ein und schreckte wieder auf, als er durch eine dünne Decke von Schlaf bemerkte, dass Barams Litanei aufgehört hatte. Er wäre beinahe aufgesprungen, aber dann sah er, dass der Fremde an der gleichen Stelle, ja sogar in derselben Haltung am niedergebrannten Feuer saß. Er sagte nichts, als Orris ihn anstarrte, aber er betrachtete den Magier mit kühler Belustigung. Sie machten sich wieder auf den Weg und legten abermals

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