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Die Chroniken von Amarid 03 - Das dunkle Herz von Lon Ser

Die Chroniken von Amarid 03 - Das dunkle Herz von Lon Ser

Titel: Die Chroniken von Amarid 03 - Das dunkle Herz von Lon Ser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David B. Coe
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wieder ins Gefängnis bringen und sagen: »Tut mir Leid, ich hätte ihn nicht rausholen sollen, aber ich wusste nicht, wie verrückt er war.« Orris ging inzwischen davon aus, dass ihm nur noch zwei Alternativen blieben: Er konnte den Fremden töten und alleine nach Lon-Ser weiterziehen, oder er konnte alles tun, was in seiner Macht stand, um zu verhindern, dass Baram sich selbst schadete, oder ihm oder sonst jemandem, und hoffen, dass die Freiheit mit der Zeit Barams Geist wieder heilen würde. Er entschied sich für das Letztere, aber nur nach langem Überlegen.
    Er hätte wissen sollen, worauf er sich einließ, als er den Mann in dieser ersten Nacht im Gefängnis gesehen hatte. Er hätte es an der Art erkennen sollen, wie die Wärter bei jeder plötzlichen Bewegung Barams zusammenzuckten; er hätte es an der Anspannung erkennen müssen, die hinter den Witzen lag, die sie über das seltsame Verhalten des Fremden rissen. Und vielleicht hätte er auch noch länger darüber nachdenken sollen, was Barams seltsame Rezitationen bedeuteten. In gewisser Weise, so begriff er nun, hatte er es tatsächlich gewusst, aber er hatte sich selbst überredet anzunehmen, dass er damit zurechtkommen könnte. Das liegt nur daran, dass er so lange in dieser Zelle war, hatte er sich gesagt und wahrscheinlich sogar Recht gehabt. Aber das Problem wurde dadurch nicht kleiner.
    Die ersten anderthalb Tage war es recht gut gegangen. Selbst nach seinem Bad hatte Baram das Gefängnis nur sehr zögernd verlassen - auch das hätte Orris schon einiges verraten sollen -, aber sobald sie draußen waren, hatte die Neuheit des Unterwegsseins ihn offenbar abgelenkt. Gut, sie waren viel langsamer vorangekommen, als Orris lieb war. Er war nie sonderlich geduldig gewesen, und in dieser Nacht hatte er wahrhaftig Grund genug zur Nervosität gehabt. Aber nach vier Jahren in einer winzigen Gefängniszelle war der Fremde körperlich in schrecklicher Verfassung. Ihm fehlten nicht nur die Kraft und die Ausdauer, die es brauchte, um länger unterwegs zu sein, er wurde auch von den hässlichen nässenden Wunden aufgehalten, die seine Fußsohlen überzogen. Orris hätte sie heilen können, aber Baram ließ nicht zu, dass der Falkenmagier sie berührte oder ihm auch nur nahe kam. Dennoch gelang es ihnen, ein Stück weit vom Gefängnis wegzukommen und langsam durch den Falkenfinderwald in die Ausläufer der Parnesheimberge aufzusteigen.
    Als der Himmel im Osten langsam heller wurde, bestand Baram jedoch darauf, dass sie innehielten. Oder genauer gesagt blieb er einfach stehen und widersetzte sich jedem Versuch des Magiers, ihn weiterzuzerren. Stattdessen stellte er sich in Richtung der aufgehenden Sonne, die Augen geschlossen, die Arme starr an der Seite, die Handflächen zum Licht gewandt. Orris versuchte ihn zu überreden weiterzuziehen, zunächst mit Vernunft, und als das nicht funktionierte, mit Drohungen und Geschrei. Aber auch das half ihm nicht weiter. Der Magier versuchte sogar, den Fremden zu tragen, aber Baram wand sich aus seinem Griff, genau, wie er es am Abend zuvor in der Gefängniszelle getan hatte, und stellte sich wieder hin wie zuvor. Schließlich gab Orris auf und hoffte, dass was immer der Fremde vorhatte, rasch vorüber sein würde, und er nutzte die Gelegenheit zu einer kleinen Mahlzeit.
    Als er das Rascheln von Orris' Vorratspack hörte, schien Baram plötzlich nicht mehr so interessiert an seinem Ritual wie noch einen Augenblick zuvor. Er starrte sehnsuchtsvoll das Trockenfleisch und den Käse an, und er ging sogar einen zögernden Schritt auf Orris zu. Einen Augenblick später jedoch wandte er seine Aufmerksamkeit wieder der aufgehenden Sonne zu, hob den Kopf ein wenig und schob die Brust vor, als wollte er mit jedem Teil seines Körpers die Wärme und das Licht aufnehmen. Baram blieb mehrere Minuten lang so stehen, während die Sonne höher und höher stieg, bis er abrupt die Augen öffnete, sich ein wenig schüttelte, wie ein Tier sich nach dem Schwimmen schüttelt, und schließlich auf Orris zukam, die Hand ausgestreckt, die Augen weit aufgerissen.
    »Jetzt hast du Hunger, wie?«, sagte der Magier grinsend. Der Fremde nickte ernst, und Orris reichte ihm die Beutel mit dem Essen. Sofort setzte der Mann sich hin und begann, hektisch in den Beuteln zu wühlen und sich ganze Hände voll Fleisch, Käse und Trockenobst in den Mund zu schieben.
    »He!«, rief Orris und nahm ihm die Beutel wieder weg. »Langsam, Mann! Sonst isst du noch alles, was

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