Die Chroniken von Amarid 04 - Die Retterin des Landes
wenn diese Anführerin von Oerella-Nal - Herrscherin Shivohn hatte der Falkenmagier sie genannt - tatsächlich so viel Mitgefühl mit Tobyn-Ser hatte, wie der Magier behauptete, warum hatte sie dann nicht versucht, die früheren Angriffe zu verhindern? Erland glaubte kein Wort von diesem Zeug. Und selbst wenn Orris in dieser Hinsicht Recht haben sollte, konnte sich Erland nicht vorstellen, dass es keine anderen in Lon-Ser gab, die bereits daran arbeiteten, Cedrychs Erbe anzutreten.
Und Orris' Bericht lieferte Erland und seinen Verbündeten eine gute Möglichkeit, genau das zu tun. Es war ein eigentlich unwichtiger Punkt, versteckt im letzten Abschnitt dieses Berichts. Aber er hatte die Aufmerksamkeit des Eulenmeisters sofort erregt, wie es ein Unkraut zwischen seinen Rosen getan hätte.
Erland schlug den Bericht noch einmal auf und las die entsprechende Stelle.
»Ich sollte auch erwähnen«, hatte Orris geschrieben, »dass ich mit den Herrscherinnen von Oerella-Nal und Bragor-Nal über eine Möglichkeit gesprochen habe, Handelsbeziehungen zwischen Lon-Ser und Tobyn-Ser zu knüpfen. Ich habe ihnen nichts versprochen, und ich habe deutlich gemacht, dass solche Beziehungen, wenn überhaupt, noch in ferner Zukunft liegen. Aber ich glaube tatsächlich, dass unser Land irgendwann einmal vom Handel mit unserem westlichen Nachbarn profitieren könnte, ebenso, wie es vom Handel mit Abborij profitiert.«
Erland war überrascht, dass Orris die Dreistigkeit besessen hatte, über so etwas mit den Herrscherinnen zu sprechen. Zweifellos hatte der Mann nicht das geringste Gespür für Autorität und Anstand. Aber dass er es sogar in seinem Bericht erwähnte, konnte den Eulenmeister nur vermuten lassen, dass Orris entweder ungeheuer arrogant oder erstaunlich dumm war. Selbst der zögernde Vorschlag, mit Lon-Ser Handel zu treiben, würde bei jedem klar denkenden Menschen in Tobyn-Ser Hohn und Spott hervorrufen, vor allem so bald nach den Angriffen. Ein Waffenstillstand war eine Sache, aber Handelsbeziehungen waren etwas ganz anderes. Die Menschen würden das niemals hinnehmen. Und wenn Baden, Orris und die anderen zu sehr darauf bestanden, würde das den Orden nur noch schneller zerstören.
Das ändert alles.
»Nein«, flüsterte Erfand. »Ganz bestimmt nicht.« Seine Eule öffnete ein Auge und schloss es wieder. Der Eulenmeister schüttelte den Kopf, nahm sein Rosenmesser vom Tisch, wo es neben Orris' Bericht gelegen hatte, und ging hinaus in den Garten. Er würde später weiter über den Bericht nachdenken, nachdem er sich um seine Blumen und Kräuter gekümmert hatte. Er wusste, es würde irgendwo eine Antwort geben. Es gab eine Möglichkeit, dies alles zu Gunsten der Liga zu nutzen. Er brauchte nur ein wenig Zeit, um wieder klar denken zu können. Als er die Sonne auf dem Gesicht spürte, blieb er stehen und schloss die Augen. Er holte tief Luft und versuchte, sich von der Wärme und dem Duft der Rosen trösten zu lassen. Er konnte immer noch die Rotkehlchen und Finken hören, und er hoffte, dass ihre Lieder laut genug sein würden, um die Stimme in seinem Hinterkopf zu übertönen.
Das Abenteuer geht weiter in
Die Chroniken von Amarid 5:
Der Adlerweise
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