Die Chroniken von Amarid 05 - Der Adlerweise
ist tatsächlich auf dem Weg. »Guten Morgen, Padgett«, rief sie mit unverhohlener Freude. »Bist du gekommen, um deine Söldner wegzuschicken? Oder sollen wir uns noch einen weiteren Tag lang gegenseitig Beleidigungen zuschreien?«
Der Hüter blieb vor den drei Magiern stehen und sah sie ernst an. Es schien ihm nicht gut zu gehen. Er hatte dunkle Ringe unter den grünen Augen, und er schwitzte, obwohl die Morgenluft noch kühl war.
»Ich habe in diesen vergangenen Tagen versucht, euch zu überreden«, sagte er, und selbst Tammen konnte das Flehen in seiner Stimme hören. »Ich habe versucht, euch zu sagen, dass ich den Menschen dieses Dorfes nichts Böses will, dass ich hoffe und erwarte, dass sie vom Holzhandel ebenso profitieren wie der Tempel.« Er hielt inne und schluckte. Tammen fragte sich kurz, ob er sich wohl gleich übergeben würde.
»Aber nun«, fuhr er fort, »möchte ich euch bitten - ich flehe euch an! -, diesen Menschen zu sagen, dass sie aus dem Weg gehen sollen.«
»Warum?«, wollte Tammen wissen. »Damit du den Wald zerstören kannst? Damit du den Leuten von Prannai das Land stehlen kannst? Hast du denn nicht zugehört? Hast du denn nicht gehört, was Maira gesagt hat?«
»Doch, das habe ich!«, entgegnete Padgett mit ungewöhnlicher Heftigkeit. »Aber ihr habt es eindeutig nicht getan! Keiner von euch!«, fügte er mit einem Blick auf Nodin und Henryk hinzu. »Das hier ist nicht ihr Land! Es ist auch nicht mein Land! Es gehört dem Tempel, und somit untersteht es den Entscheidungen des Ältesten Brevyl! Das müsst ihr verstehen!«
Tammen lachte ihm ins Gesicht. »Und du musst verstehen, dass - »
»Was hat Brevyl damit zu tun?«, warf Nodin ein und brachte Tammen mit einem Blick zum Schweigen. Der Hüter zögerte und befeuchtete sich die Lippen. »Ich habe heute früh eine Botschaft von ihm erhalten. Er ist auf dem Weg zu Tobyns Wald, damit er sich selbst ein Bild machen kann, wie die Holzarbeiten auf dem Tempelland weitergehen. Seiner Botschaft nach zu schließen, hat er den Falkenfinderwald vor beinahe zwei Wochen verlassen. Er wird innerhalb der nächsten ein, zwei Tage hier in Prannai eintreffen.«
»Ich glaube dir kein Wort«, sagte Tammen.
Nodin drehte sich um und starrte sie wütend an. »Sei still, Tammen!«
Sie spürte, wie sie rot wurde. Sie war sicher, dass Henryk sie mit diesem nur zu vertrauten amüsierten Blick beobachtete, und sie musste sich anstrengen, sich nicht einfach rasch umzudrehen und ihm eine Ohrfeige zu verpassen. »Worum geht es denn nun, Hüter?«, fragte Nodin, jetzt wieder Padgett zugewandt. »Was passiert, wenn Brevyl herkommt?«
Padgett holte tief Luft. »Ich weiß es nicht genau. Wenn der Wald noch nicht abgeholzt ist, wird er dafür sorgen, dass es geschieht, ganz gleich, wie viele Menschenleben es kostet.« »Das ist eine ziemlich gewagte Aussage über das Oberhaupt von Aricks Kindern«, erklärte Nodin und zog die Brauen hoch.
Der Hüter zuckte die Achseln. »Ich sage euch nur, was ich weiß. Der Älteste ist ein anständiger Mensch, aber wie jeder in einer solch wichtigen Position ist er daran gewöhnt, dass man seine Befehle befolgt. Er hat kein Verständnis für Verzögerungen und noch weniger für leichtfertige Herausforderungen seiner Autorität.« Er schaute über Nodin und Tammen hinweg zu den Dorfleuten. »Ich habe alles getan, um das Leben dieser Menschen zu schützen, denn ich habe sie gern. Ich habe Prannai gern.« Wieder sah er Nodin an. »Brevyl hat keine solchen Empfindungen, die ihn aufhalten würden.«
Nodin nickte, als dächte er darüber nach. »Was schlägst du also vor?«, fragte er schließlich.
»Wir schlagen den Wald jetzt, aber nur die Hälfte. Wenn Brevyl eintrifft, werde ich ihm sagen, dass wir dabei sind, uns um den Rest zu kümmern. Er wird zufrieden weiterziehen und nie erfahren, welchen Handel wir abgeschlossen haben.«
»Du hörst ihm doch nicht wirklich zu, oder?«, fragte Tammen, die sich nicht mehr beherrschen konnte. »Er lügt doch! Diese Leute sind ihm vollkommen egal! Ihn interessiert nur, was aus ihm wird, wenn Brevyl sieht, dass wir uns gegen ihn durchgesetzt haben!«
Nodin fuhr sich mit der Hand durch das kurze dunkle Haar. »Sie hat nicht ganz Unrecht«, sagte er zu dem Hüter. »Woher wissen wir, dass Brevyl wirklich auf dem Weg hierher ist? Und selbst wenn, wie können wir sicher sein, dass deine Leute nicht einfach zurückkommen werden und den Rest zerstören, nachdem sie die erste Hälfte des Waldes
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