Die Chroniken von Amarid 05 - Der Adlerweise
Puppe. Zwei weitere Wachen fielen unter violetten und grünen Feuerströmen.
Zwei der Wachen drehten sich sofort zu den Magiern um, schossen und zwangen Tammen und die anderen, sich wieder zu schützen, bevor sie ihre Macht abermals einsetzen konnten. Der Rest der Wachen begann, auf die Menschen aus Prannai zu feuern. Schmerzens- und Schreckensschreie gellten durch den Hain, als Männer und Frauen mit rauchenden schwarzen Wunden zu Boden fielen.
»Henryk!«, rief Nodin. »Gib uns Deckung, so lange du kannst! Tammen und ich werden versuchen, die Leute zu schützen.«
Henryk nickte, biss die Zähne zusammen, und im nächsten Augenblick wurde der meergrüne Schild heller.
Mit perfekt aufeinander abgestimmten Bewegungen streckten Nodin und Tammen ihre Cerylle vor sich aus und entsandten Ströme von Macht zu den Dorfbewohnern, um sie mit ihrer Magie zu schützen. Ihre magischen Feuer, blau und lila, schienen zu verschmelzen wie eine schimmernde Mauer lavendelfarbenen Lichts, die tatsächlich auch die ersten roten Feuersalven auffangen konnte. Aber die Waffen der Soldaten erwiesen sich als zu stark, und die Dorfbewohner waren so weit entfernt. Tammens Arme zitterten bereits vor Erschöpfung. Ihr Rücken und ihre Schultern schmerzten, und sie fürchtete, dass ihre Beine jeden Augenblick nachgeben würden. Sie konnte auch Othbas Erschöpfung spüren, ebenso deutlich wie ihre eigene, und obwohl sie nicht mehr die Energie hatte, Nodin auch nur einen Seitenblick zuzuwerfen, bezweifelte sie nicht, dass er und sein Vogel ebenfalls müde waren. Es hätte vielleicht geholfen, wenn sie näher an die Dorfleute herangekommen wären, aber um sich zu ihnen hin zu bewegen, hätten sie Henryks Schild ausdehnen und damit ihr Leben gefährden müssen.
Eine weitere Salve von den Wachen brach durch ihren Schild, als hätte er niemals existiert, und fällte mehrere Dorfbewohner.
»Aricks Faust!«, zischte Nodin.
»Tut doch etwas!«, schrie Maira sie an, als die Schmerzensschreie ihrer Leute und der Geruch nach brennendem Fleisch abermals in die Luft aufstiegen.
Nodin und Tammen wechselten schweigend einen Blick. In den Augen des hoch gewachsenen Magiers standen Tränen, und noch während Tammen ihn ansah, begann er den Kopf zu schütteln.
Er hatte es ihr überlassen, und für Tammen gab es nur eine einzige Wahl. Zwei Tempelwachen feuerten weiter auf die Magier, aber Henryks Schild meergrüner Magie hielt. Der Rest der Bewaffneten war zu sehr damit beschäftigt, auf die Dorfleute zu schießen, um von ihnen Notiz zu nehmen. Sie holte tief Luft, hob den Stab abermals und schleuderte magisches Feuer auf die Wachen. Sie versuchte, ihre Waffen zu treffen, aber sie war müde und konnte nicht so gut zielen wie sonst. Und als daraufhin alle Wachen ihre Waffen wieder auf sie richteten, musste sie ihre Magie benutzen, um Henryks Schild zu verstärken, und konnte nun hin und wieder auf die Männer schießen. Am Ende hatte sie drei von ihnen getötet und vier weitere verwundet, bevor der Rest floh, dicht gefolgt von den Holzfällern, die sich im Wald verteilten wie verängstigte Kaninchen.
Sie starrte ihnen lange Zeit hinterher, die Arme schlaff an den Seiten hängend, Gesicht und Umhang schweißnass. Sie spürte Nodin neben sich, und mit großer Anstrengung wandte sie sich ihm zu. Auch sein Gesicht war feucht, aber weniger vom Schweiß als von Tränen, und in seinen Augen stand ein wilder, entsetzter Blick, der sie erschaudern ließ. Er hatte nichts getan, um ihr bei dem Kampf mit den Soldaten zu helfen. Er hatte nicht einmal einen Schild errichtet, um sich selbst zu schützen. Es war erstaunlich, dass er überhaupt noch lebte.
»Es hätte nicht so weit kommen dürfen«, flüsterte er, während ihm immer noch Tränen über die Wangen liefen. »Wir sollten niemanden töten.«
»Wir hatten keine andere Wahl«, sagte Tammen mit tonloser Stimme. »Sie haben die Dorfleute umgebracht.«
»Aber wir sind Magier!« Er fuhr zu ihr herum. »Amarids Gesetze verbieten uns, unsere Macht auf diese Weise zu nutzen! Wir sollen unsere Macht nutzen, um in Zeiten der Not Hilfe und Trost zu spenden!«, zitierte er. »Wir sollen nicht töten!«
»Wir haben diesen Schwur nie abgelegt, Nodin! Wir sind Umhanglose! Wir haben gegen keine Gesetze verstoßen! Wir haben getan, was wir tun mussten! Das kann uns niemand übel nehmen! Und außerdem«, fügte sie hinzu und wandte den Blick ab, »hast du niemanden getötet. Du hast nur dagestanden wie eine Statue von
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