Die Chroniken von Araluen - Der große Heiler: Band 9 (German Edition)
fünf Minuten, dann machst du einen großen Bogen nach links. Wenn du so gut bist, wie du immer behauptest, dann werden sie dich überhaupt nicht bemerken.«
Er deutete auf eine Erdvertiefung, die nach links verlief. In etwa zehn Schritten Entfernung lag ein umgestürzter Baum schräg darüber.
»Am besten, du kriechst auf dem Bauch diesen Graben entlang bis zu dem umgestürzten Baum und dann darunter weiter. Auf diese Weise schaffst du ein gutes Stück, ohne dass sie dich sehen. Mit etwas Glück nehmen sie an, dass du immer
noch hier ausharrst, während du schon längst einen Bogen geschlagen hast.«
»Aber wir wissen doch gar nicht so genau, wo sie sind«, sagte Will.
»Sie sind nicht weit vom Weg entfernt«, erwiderte Walt. »Es ist viel zu schwierig, durch dieses Gewirr von Ästen einen genauen Schuss abzugeben, wenn man weiter weg ist als fünfzig… oder sagen wir dreißig Schritte. Also, wenn du dich etwa hundert Schritte nach links vorgearbeitet hast, schwenkst du im großen Bogen ein. Wenn alles klappt, hast du sie dann überrundet.«
Will nickte. Es klang nach einem guten Plan. Doch es gab einen Haken dabei.
»Es gefällt mir trotzdem nicht, dass du ihre Aufmerksamkeit auf dich ziehen willst«, murrte er.
Walt seufzte. »Ich sehe keine andere Möglichkeit. Aber glaub mir, ich werde nicht einfach losmarschieren, auf meine Brust deuten und sagen: ›Bitte schießt mir hier einen Bolzen rein.‹ Ich werde von Deckung zu Deckung wechseln und die langen Schatten ausnützen. Du musst nur zusehen, dass du ihnen beim Schießen zuvorkommst. Ich werde es jedenfalls versuchen, das garantiere ich dir.«
Will holte ein paar Mal tief Luft und stellte sich den Ablauf vor. Es war ein einfacher Plan und das war gut. Einfache Pläne funktionierten meist besser als die ausgeklügelten, die auf haargenau abgestimmten Abfolgen beruhten. Je weniger schiefgehen konnte, desto besser.
Walt sah, wie sein junger Freund nachdachte und störte ihn nicht dabei. Sie hatten vor ihrem nächsten Schritt noch etwas Zeit. Nach ein paar Minuten sprach Walt weiter.
»Nach dem ersten Schuss sind wir im Vorteil, Will. Und es spricht noch einiges für uns. Erstens wissen die Söldner nicht, was die Ausbildung eines Waldläufers beinhaltet und wie gut du bist. Wenn sie dich nicht hinter dem Baum hervorkommen sehen, werden sie daher annehmen, dass du immer noch dahinter bist, und das verschafft dir einen Vorteil. Zweitens benutzen sie die kleine Armbrust und die hat eine kurze Reichweite.«
»Zudem dauert das Laden bei ihnen länger und sie müssen aufstehen, um zu spannen«, überlegte Will. »Also müssen sie nach dem ersten Schuss für kurze Zeit ihre Deckung aufgeben.«
Walt kniff nachdenklich die Lippen zusammen. »Es könnte sein, dass sie beide mehr als nur eine Waffe haben. Also geh kein Risiko ein. So oder so werden wir zweifellos schneller schießen als die zwei.«
Es würde etwa zwanzig Sekunden dauern, um die Armbrust neu zu laden. Dann mussten die Schützen erneut zielen und abdrücken. Will konnte in weniger als fünf Sekunden anlegen, zielen und schießen. Walt war sogar noch schneller. Bevor einer der Genovesen seinen zweiten Schuss abgeben konnte, hätten die beiden Waldläufer bereits ein Dutzend Pfeile in der Luft. Die beiden Söldner hatten den Vorteil, aus dem Hinterhalt schießen zu können. Doch wenn sie bei ihren ersten Schüssen nicht trafen, hatten die Waldläufer alle Vorteile auf ihrer Seite.
Walt wagte erneut einen Rundblick. Im Westen sah er die letzten Sonnenstrahlen zwischen den Bäumen. Aber die Schatten wurden jetzt länger und das Licht wurde matter. Es war Zeit, ihren Plan auszuführen.
»Also gut«, sagte er. »Vergiss nicht: fünf Minuten, dann kriechst du durch die Senke.«
Will grinste. Seiner Meinung nach war es nur eine schmale Furche und keine Senke. Aber Walt sah sein Grinsen nicht, denn er beobachtete noch einmal den Wald um sie herum, ehe er sich von den Knien in eine gebückte Stellung erhob.
»Laden wir diese Kerle zu einem Tänzchen ein«, sagte er und betrat geräuschlos den Pfad. Er war kaum mehr als ein grüngrauer Schatten, der sofort mit dem Zwielicht des Waldes verschmolz.
W alt hatte seine Augen zusammengekniffen, während er den schmalen Pfad zwischen den Bäumen hindurch schlich. Unentwegt beobachtete er die Umgebung. Mit einem grimmigen Lächeln nahm er die gelegten Spuren zur Kenntnis – ein Stofffetzen an einem Zweig hier, eine all zu offensichtliche Fußspur dort. Er
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