Die Chroniken von Araluen - Der große Heiler: Band 9 (German Edition)
schlängeln zu können, hatte er die Sehne von seinem Bogen nehmen und ihn dann durch zwei kleine Ösen auf seinem Umhang schieben müssen, die genau für diesen Zweck gedacht waren. Hätte er versucht, mit dem gespannten Bogen zu kriechen, wäre er das Risiko eingegangen, dass ein Ast oder Zweig sich dort verfing, wo die Sehne an den Bogen geknüpft war. Jetzt befand sich der Bogen gut verstaut auf seinem Rücken, war nun lediglich ein längliches Stück Holz, das ihm nicht zum Hindernis wurde.
Aus dem gleichen Grund hatte er seinen Gürtel gedreht, damit die Doppelscheide für die Messer sich auf seinem Rücken befand. Auf diese Weise kam er zügiger voran, aber es bedeutete auch, dass er im Notfall wertvolle Sekunden verlöre, um eines seiner Messer zu ziehen.
Es widerstrebte ihm zutiefst, sich Feinden derart unbewaffnet auszuliefern. Eine alte Redewendung der Waldläufer besagte: Ein Bogen ohne Sehne ist nur ein Stück Holz. Als er das vor fünf Jahren zum ersten Mal gehört hatte, hatte er es lustig gefunden. Im Moment fand er es ganz und gar nicht lustig.
Immerhin hatte er es nun bis zu dem quer liegenden Baumstamm geschafft. Will gestattete sich einen kleinen Seufzer der Erleichterung und merkte, wie seine Anspannung etwas nachließ.
Er erhob sich ein wenig, wenn auch nicht zu viel, und kam nun schneller voran. Schließlich stand er vorsichtig auf,
versteckte sich hinter dem dicksten Baum in der Nähe und knüpfte die Sehne wieder an den Bogen. Jetzt war er nicht mehr derjenige, der in Gefahr war, nun waren es die Genovesen, die sich vorsehen mussten.
Walt hatte sich auf ein Knie hinabgelassen und tat so, als würde er eine von den Genovesen hinterlassene Spur untersuchen. Obwohl er den Kopf gesenkt hatte, suchte er mit Blicken die Umgebung ab.
Zwischen den Bäumen zu seiner Linken sah er eine winzige Bewegung und ein Aufblitzen von Dunkelrot. Er bewegte sich jedoch nicht. So zusammengekauert gäbe er ein schlechtes Ziel für einen Schützen ab, daher würde der Betreffende warten, bis Walt wieder aufstand.
Walt blickte nach links. Die Bäume, an denen er gerade vorbeigekommen war, waren schmal, kaum mehr als junge Schösslinge, die keinen wirklichen Schutz böten. Er lächelte grimmig. Deshalb hatten die Genovesen natürlich auch genau diese Stelle für ihre falsche Spur gewählt. Sie wussten, dass ein Verfolger hier anhalten und sich hinunterbeugen würde, um die Spur genauer zu betrachten. Danach würde er sich wieder aufrichten. Und in diesem Moment gäbe er ein perfektes Ziel für sie ab.
Walt spannte die Muskeln an und bereitete sich auf seinen nächsten Schritt vor. Er hatte links einen Baum entdeckt, der etwas dicker war als die anderen, wenn auch nicht dick genug, um ihn völlig zu verbergen. Aber es war besser als nichts. Er konnte nur hoffen, dass Will inzwischen auf seinem Posten war.
Unvermittelt warf er sich zur Seite, rollte sich hinter den Baum und wartete. Aber es tat sich nichts.
Kein Bolzen schlug über oder neben ihm ein. Nichts. Nur das unheimliche Stöhnen der toten Bäume im Wind war zu hören. Die Genovesen hatten sich nicht zu einem unüberlegten Schuss hinreißen lassen. Oder hatte er sich womöglich getäuscht und sie lagen gar nicht hier auf der Lauer?
Nein, sein sechster Sinn sagte ihm, dass hier und jetzt sowohl die richtige Zeit als auch der richtige Ort war und dass die Gegner nur wenige Schritte entfernt auf seinen nächsten Zug warteten. Egal wie lange er darüber nachdachte, die Lage würde nicht besser werden. Und wenn er zu lange wartete, würden seine Gegner versuchen, sich ihm von der Seite zu nähern und womöglich Will in die Quere kommen.
Nach dem ersten Schuss sind wir im Vorteil , hatte er gesagt.
Dabei gab es allerdings ein kleines Aber . Nach dem ersten Schuss konnte er genauso gut schon tot sein.
Walt schloss die Augen und konzentrierte sich. Er hatte nur eine einzige Chance und die beruhte darauf, dass Will hinter den Genovesen in Stellung war. Will musste da sein und Will würde da sein. Er hatte Walt noch nie im Stich gelassen.
Walt öffnete die Augen, holte langsam einen Pfeil aus dem Köcher und legte ihn an die Sehne. Dann zog er die Beine an und ging in die Hocke. Er überlegte den nächsten Schritt. Ein langsames Aufrichten gäbe dem Gegner mehr Zeit, genauer zu zielen. Eine plötzliche Bewegung konnte ihn erschrecken und zu einem überstürzten Schuss verführen.
»Ich hoffe, du bist da, Will«, flüsterte Walt. Dann sprang er auf, hob
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