Die Chroniken von Araluen - Der große Heiler: Band 9 (German Edition)
schütteln?«, fragte Horace besorgt.
»Was weiß denn ich!« Wills gereizte Antwort war Beweis für die Hilflosigkeit, die er empfand. »Fällt dir vielleicht was Besseres ein?«
Horace antwortete nichts darauf.
Will wusste natürlich, dass es nichts nützte, wenn er Walt schüttelte – es machte ihn nur noch unruhiger. Er ließ die Schulter los und legte seine Handfläche sanft auf Walts Stirn. Sie war glühend heiß und fühlte sich eigenartig trocken an.
»Er hat Fieber«, sagte er. Ihre Hoffnungen, dass Walts Zustand sich nach einer erholsamen Nacht bessern würde, waren dahin. Stattdessen hatte sein Zustand sich in den letzten Stunden verschlechtert.
Jetzt ging Will vorsichtiger und sanfter zu Werk. Er hob das Leinen an, das Walts Unterarm bedeckte, und roch an der Wunde. Der Fäulnisgestank war zwar noch da, aber nicht mehr sehr stark. Die Verfärbungen waren ebenfalls
noch sichtbar, aber auch sie hatten sich über Nacht nicht verschlimmert. Die Schwellung war vielleicht sogar ein wenig zurückgegangen. Er berührte den geschwollenen Arm. Gestern war die Haut heiß gewesen, jetzt war die Temperatur normal.
»Immer noch heiß?«, fragte Horace.
Will schüttelte verblüfft den Kopf. »Nein. Es fühlt sich normal an«, sagte er. »Aber seine Stirn glüht. Ich verstehe das einfach nicht.«
Er setzte sich zurück, um nachzudenken. Wenn er bloß mehr Ahnung vom Heilen hätte.
»Es sei denn«, sagte er langsam, »es bedeutet, dass das Gift sich in seinem Kreislauf bewegt… und jetzt durch seinen Körper wandert.« Er begegnete dem besorgten Blick seines Freundes und schüttelte dann hilflos den Kopf. »Ich weiß auch nicht, Horace. Ich weiß einfach nicht genug über all das.«
Er fing an, weitere Baumwolltücher in eine Schüssel mit kaltem Wasser zu tauchen und sie auf Walts Stirn zu legen, um das Fieber zu senken. Er hatte getrocknete Weidenrinde in seinem Erstehilfepack, die, wie er wusste, das Fieber senken würde. Aber wie sollte er Walt dazu bekommen, sie einzunehmen? Sein alter Lehrer warf sich von einer Seite auf die andere und stöhnte, aber sein Mund war jetzt fest geschlossen.
Horace stand auf und ging zu Walts Satteltasche. Er öffnete eine Klappe und wühlte im Inneren, bis er schließlich Walts Landkarte gefunden hatte. Nachdenklich betrachtete er sie einige Minuten, dann ging er damit zurück zu Will.
»Wonach suchst du?«, fragte ihn Will.
»Nach einer Stadt. Oder einem großen Dorf. Es muss doch irgendwas hier in der Nähe geben, wo wir Medizin bekommen oder einen Heiler auftreiben können.«
Er tippte mit dem Zeigefinger auf die Karte. »Ich denke, wir sind irgendwo … hier«, sagte er. »Ein paar Meilen hin oder her. Wie wäre es damit? Maddlers’ Drift kann nicht weiter als einen halben Tagesritt entfernt sein.«
»Schlägst du allen Ernstes vor, Walt dorthin zu bringen?«, fragte Will.
Horace überlegte. »Das ist wahrscheinlich keine gute Idee. Vielleicht sollten wir hingehen und nachsehen, ob es dort jemanden gibt, der helfen könnte. Den örtlichen Heiler. Einer könnte hinreiten und ihn holen.« Er sah Wills zweifelnden Gesichtsausdruck. »Ich mach das, wenn du willst«, bot er an.
Will schüttelte den Kopf. »Wenn einer von uns reitet, dann ich«, entgegnete er. »Ich kann viel schneller reiten als du.«
»Ja, das ist mir klar.« Horace nickte. »Aber ich dachte, du willst vielleicht bei ihm bleiben. Also …«
»Hab schon verstanden, Horace. Und ich weiß es zu schätzen. Aber denk mal nach. Es ist nur ein Dorf. Wahrscheinlich gibt es dort gar keinen Heiler. Und wenn doch, glaubst du, irgendein Landheiler hat auch nur die geringste Ahnung, wie diese Vergiftung zu behandeln ist?« Er deutete auf Walt, der stöhnte und mit den Zähnen knirschte.
Horace seufzte tief. »Einen Versuch ist es wert.« Doch seiner Stimme war anzumerken, dass er seinen eigenen Worten nicht glaubte.
Will legte die Hand auf seinen Arm. »Sehen wir den Tatsachen
ins Auge. Ein guter Heiler auf dem Land ist trotzdem nur ein einfacher Kräuterkundler. Und die schlechten Heiler sind Scharlatane und Hexenmeister. Ich möchte nicht, dass irgendjemand bei Walt singt und farbigen Rauch aufsteigen lässt, während er stirbt.«
Nun hatte er es schließlich ausgesprochen. Während er stirbt. Walt lag im Sterben. Die wundersame Besserung, auf die sie gehofft hatten, war nicht eingetreten.
Horace war zutiefst betroffen bei diesen Worten. Er hatte sich die ganze Zeit geweigert, den Gedanken daran
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