Die Chroniken von Araluen - Der große Heiler: Band 9 (German Edition)
zwei Gifte, die infrage kommen, und beide gehören der Gattung Aracoina an«, erklärte er. »Das eine wird aus der Aracoinapflanze gewonnen, die blaue Blüten hat. Das andere erhält man von der Pflanze mit den weißen Blüten. Beide lösen mehr oder weniger die gleichen Symptome aus – die ich gerade beschrieben habe.«
»Dann…«, begann Will, aber Malcolm war noch nicht fertig.
»Es gibt zwei gebräuchliche Gegenmittel. Sie wirken schnell und ich habe die Zutaten für beide. Aber wenn ich ihn mit dem Mittel für die weiße Aracoina behandle und er wurde mit der blauen vergiftet, dann wird er an dem Gegenmittel sterben. Und umgekehrt genauso.«
Horace und Will starrten ihn fassungslos an.
»Das ist auch der Grund, warum gedungene Mörder das Gift der Aracoina verwenden. Selbst wenn ein Heiler ein Gegenmittel herstellen kann, gibt es immer noch eine fünfzigprozentige Chance, dass das Opfer sterben wird.«
»Was passiert, wenn wir nicht herausfinden, welches Gift es war?«, fragte Will.
Malcolm hatte mit dieser Frage gerechnet und es tat ihm leid, dem jungen Mann, den er lieb gewonnen hatte, mit einem fürchterlichen Dilemma zu konfrontieren.
»Wenn wir ihn nicht behandeln, wird er auf jeden Fall sterben. Aber bevor es so weit ist, werde ich beide Gegenmittel herstellen, dann werfen wir eine Münze und entscheiden, welches wir nehmen.«
Will straffte die Schultern. »Nein«, sagte er. »Wir werfen keine Münze. Wenn eine Entscheidung gefällt werden muss, werde ich sie treffen. Ich will Walts Leben nicht vom
Fall einer Münze abhängig machen. Ich könnte Lady Pauline niemals wieder unter die Augen treten. Ich möchte, dass es von jemandem entschieden wird, der ihn liebt. Und das bin ich.«
Malcolm nahm diese Entscheidung mit einem Nicken zur Kenntnis.
Er war beeindruckt von dem Mut und der Stärke des jungen Waldläufers. Horace trat zu seinem Freund und legte eine Hand auf Wills Schulter, damit er wusste, dass er nicht allein war.
Mit einem traurigen Lächeln legte Will seine Hand auf die seines Freundes. Worte waren in diesem Augenblick nicht nötig.
Und sehr viel später, gegen Mitternacht, nachdem er stundenlang wortlos in die Glut des Feuers gestarrt hatte, traf Will seine Entscheidung.
D ie Sonne war schon vor einer Stunde aufgegangen. Es würde ein schöner Tag werden, doch die kleine Gruppe stand um einen niedrigen, frisch aufgeschütteten Erdhügel, die Köpfe gramvoll gesenkt. Keiner hatte Augen für das schöne Wetter.
Mit hängendem Kopf hämmerte Will ein Holzschild in die frisch aufgegrabene Erde am Kopf des schmalen Grabs, dann trat er zur Seite, um Horace Platz zu lassen, die letzten Schaufeln Erde aufzuschütten. Horace trat ebenfalls zurück und stützte sich auf die Schaufel.
»Sollte jemand ein paar Worte sprechen?«, fragte er zögernd. Malcolm sah Will an, doch der schüttelte den Kopf.
»Ich denke nicht, dass ich das kann.«
»Vielleicht wäre es angemessen, wenn wir einfach nur ein paar Minuten still hier stehen bleiben?«, schlug Malcolm vor. Die anderen beiden tauschten Blicke aus und nickten dann.
Nach einigen Minuten brach Will das Schweigen.
»Also gut. Brechen wir auf.«
Sie packten ihre Sachen und beluden die Pferde. Horace kickte mit dem Fuß Erde über das Feuer, damit es erlosch,
und sie stiegen auf die Pferde. Will warf noch einen letzten Blick auf das frische Grab, dann wendete er Reißer und ritt davon. Die anderen folgten.
Sie ritten langsam Richtung Norden. Niemand sprach, als sie den ersten Hügelkamm genommen hatten und außer Sichtweite ihres heimlichen Beobachters waren. Will gab ein Handzeichen.
»Jetzt müssen wir einen Zahn zulegen«, sagte er, und die drei drängten ihre Pferde in einen leichten Galopp. Etwa eine Viertelmeile weiter, wo der Boden flacher wurde, bevor er erneut anstieg, befand sich ein kleiner Buchenhain. Darauf ritt Will jetzt zu, drehte leicht nach links ab, und die anderen folgten dicht hinter ihm. Will blickte über die Schulter, um zu sehen, ob ihnen jemand folgte. Nichts.
»Schnell!«, rief er. Sie mussten in Deckung gehen, bevor ihr Beobachter den Hügelkamm erreicht hatte.
Sie galoppierten in den Schutz der Bäume und stiegen ab.
»Die Pferde müssen weiter in den Wald hinein«, sagte Will.
Horace führte Kobold weg. Auf ein Zeichen von Will folgten auch Abelard und Reißer.
»Ich werde nach Walt sehen«, sagte Malcolm.
Der Waldläufer schlief auf seiner Lagerstatt inmitten des Hains. Nach Einbruch der
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