Die Chroniken von Araluen - Der große Heiler: Band 9 (German Edition)
hatte aber auch nicht allzu sehr unter seiner Last leiden müssen, denn Malcolm war klein und dünn, fast mager.
»Ist irgendetwas passiert, während ich weg war?«, fragte Will.
»Ehrlich gesagt, ja«, antwortete Horace. Er sah kurz zu Malcolm, der neben Walt kauerte und ihn abtastete. Sie waren außer Hörweite, obwohl es darauf vielleicht gar nicht ankam. Leise erzählte Horace seinem Freund rasch von dem Beobachter auf dem südlichen Hügelkamm.
Will, der in solchen Dingen genug Erfahrung hatte, machte selbstverständlich nicht den Fehler, sofort dorthin zu blicken. Er sah auf den Boden.
»Bist du sicher, dass es der Genovese ist?«
Horace zögerte. »Nein. Aber ich vermute , dass er es ist. Irgendjemand ist dort, so viel steht fest. Ich habe die Spuren in dem Versteck gesehen.«
»Und du sagst, er ist gestern Abend verschwunden?«, forschte Will nach.
»Genau. Aber heute Vormittag war er wieder da«, erklärte Horace.
Will war inzwischen mit dem Abreiben des Pferdes fertig und tätschelte Reißer geistesabwesend.
»Sag mir genau die Stelle«, bat er.
Horace war auch kein Neuling. Der junge Ritter trat zur Seite, um sich ein trockenes Tuch zu holen, dann stellte er sich Will gegenüber, mit dem Rücken zum Hügel.
»Über meiner rechten Schulter«, sagte er knapp. Und Will, der so tat, als würde er seinen Freund anschauen, ließ
unauffällig den Blick schweifen. Horace, der ihn genau beobachtete, sah, wie er plötzlich die Augen zusammenkniff.
»Ich sehe ihn«, erklärte Will. »Nur den Kopf und die Schultern. Er hat sich weggeduckt. Hätte er das nicht getan, hätte ich ihn vielleicht gar nicht entdeckt.«
»Er wird übermütig«, meinte Horace. »Er gibt sich gar keine große Mühe mehr, sich zu verstecken. Und er bewegt sich ziemlich viel.«
»Hm.« Will überlegte. »Was zum Teufel hat er vor? Warum ist er nicht einfach weggeritten?«
»Darüber habe ich mir auch schon Gedanken gemacht«, sagte Horace. »Vielleicht ist Tennyson irgendwie aufgehalten worden, und unser Freund hier soll sicherstellen, dass wir ihn nicht verfolgen.«
»Wodurch aufgehalten?«, fragte Will.
Horace zuckte mit den Schultern. »Er könnte ja ebenfalls krank oder verletzt sein. Vielleicht wartet er auf jemanden, mit dem er verabredet ist. Keine Ahnung. Aber er muss sich irgendwo in der Nähe aufhalten, denn sein Spion da oben ist abends weggeritten und am nächsten Tag wieder zurückgekommen.«
»Er will herausfinden, was wir vorhaben«, stellte Will fest. »Er weiß, dass er Walt mit dem vergifteten Bolzen getroffen hat, er hat ja seinen Aufschrei gehört. Also geht er davon aus, dass Walt stirbt.«
Horace nickte. »So könnte es sein. Wenn sie tatsächlich einen längeren Aufenthalt geplant haben, müssen sie uns im Auge behalten. Es wäre ja auch denkbar, dass wir aufgeben, wenn Walt stirbt, und umkehren. Sie können ja nicht ahnen, dass es Walt schon wieder besser geht.«
»Seid nicht so vorschnell mit euren Vermutungen«, warf Malcolm hinter ihnen ein. Die beiden Freunde drehten sich um. Sein Gesichtsausdruck war ernst.
»Aber er macht doch Fortschritte«, wandte Horace ein. »Ich hab es ja selbst gesehen. Es ging ihm heute Morgen und gestern Abend schon viel besser. Er war völlig klar im Kopf.«
Malcolm schüttelte den Kopf und Horace verstummte.
»Ich bin mir nicht ganz sicher, was für ein Gift es ist. Aber wenn ich recht habe, dann passt es zu den entsprechenden Symptomen.«
»Welche Symptome?«, fragte Will besorgt.
Malcolm sah ihn betrübt an. Er hasste es, der Überbringer schlechter Neuigkeiten zu sein. »Es fängt mit Delirium und Fieber an. Gerade noch lebt der Patient in der Gegenwart, im nächsten Augenblick schon in der Vergangenheit. Dann hat er Halluzinationen. Das ist die zweite Phase. Das war, als Walt dich mit jemandem verwechselt hat. Danach kommt die letzte Phase: ein klares Bewusstsein und eine trügerische Erholung.«
»Eine trügerische Erholung?«, wiederholte Will alarmiert.
Malcolm nickte. »So ist es. Das Gift wütet schon eine ganze Weile in seinem Körper. Ich bin mir nicht sicher, wie viel Zeit er noch hat.«
»Aber … du kannst ihn behandeln?«, fragte Horace. »Es gibt ein Gegenmittel für dieses Gift, nicht wahr? Du hast gesagt, du wüsstest, was es ist.«
»Ich habe eine bestimmte Vermutung, ja«, bestätigte Malcolm. »Und es gibt tatsächlich ein Gegenmittel.«
»Dann verstehe ich nicht, wo das Problem liegt«, sagte Horace.
Malcolm holte tief Luft. »Es gibt
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