Die Chroniken von Araluen - Der Krieger der Nacht: Band 5 (German Edition)
Schnitt betonte ihre schlanke Figur. Ihr aschblondes, glattes Haar trug sie offen auf Schulterlänge, sodass es ihr Gesicht mit der geraden Nase, dem festen Kinn und dem vollen Mund weich umspielte. Ihre grauen Augen funkelten vor Vergnügen über ihren Scherz.
Sie standen einen Moment lang wortlos da und freuten sich einfach, einander wiederzusehen. Alyss gehörte zu Wills ältesten Freunden, denn sie war wie er als Waise auf Burg Redmont groß geworden. Als Will nach dem Abschied von Prinzessin Cassandra niedergeschlagen nach Redmont zurückkehrte, waren sie sogar etwas mehr als Freunde geworden. Die anmutige Schülerin im Diplomatischen Dienst hatte sein Bedürfnis nach Wärme und Zuneigung erkannt und war gerne für ihn da gewesen. Es war allerdings nur zu behutsamen Umarmungen und Küssen im Mondlicht gekommen, und vielleicht gab es deshalb zwischen ihnen das Gefühl, dass da noch etwas offen sei.
Delia, der natürlich die gegenseitige Freude über das Wiedersehen nicht entging, spürte, dass da etwas
in der Luft lag. Sie war lebensfroh und wahrscheinlich das hübscheste Mädchen ihres Alters auf der Insel, aber diese elegante Blondine in dem weißen Kleid war mehr als hübsch. Sie war anmutig, weltgewandt und einfach wunderschön. Da konnte sie nicht mithalten, erkannte sie traurig, und das gerade jetzt, wo sie angefangen hatte, diesen interessanten jungen Mann näher kennenzulernen.
»Was machst du denn hier?« Will hatte seine Stimme wiedergefunden und führte Alyss auf die Veranda, wo er mit Delia gesessen hatte. Diese bemerkte, dass er immer noch Alyss’ Hände hielt und sie keinen Versuch unternahm, sich loszumachen.
»Oh, nur ein längst fälliger Besuch«, sagte sie und zuckte mit den Schultern, um anzudeuten, dass ihre Mission völlig unwichtig war. »Es werden mal wieder fast alle Lehen aufgesucht. Nichts Weltbewegendes. Ich hörte, dass du hier in Seacliff bist, also tauschte ich meinen Auftrag mit einem anderen Kurier, um dich wiederzusehen.«
Sie blickte bedeutungsvoll über seine Schulter und hob eine Augenbraue, um ihn an die Etikette zu erinnern.
Erst da fiel Will Delia wieder ein. Er drehte sich schnell zu ihr und stieß dabei die Mandola um, die an seinem Stuhl lehnte. Es gab ein kurzes Durcheinander, als er das Instrument blitzschnell auffing. Zumindest, dachte Delia, hat er die Hand dieser schönen Fremden loslassen müssen.
»Es tut mir furchtbar leid!«, entschuldigte er sich
rasch. »Alyss, das ist Delia, eine Freundin hier aus dem Ort. Delia, das ist Alyss, seit vielen Jahren eine sehr liebe Gefährtin.«
Delia zuckte innerlich bei dieser Bezeichnung für Alyss zusammen, lächelte jedoch freundlich, als sie die Hand nahm, die Alyss ihr reichte. Sie war natürlich glatt und zart, aber mit überraschend starkem Griff.
»Angenehm«, sagte sie.
Alyss lächelte, wohl wissend, dass es Delia alles andere als angenehm fand.
»Gleichfalls«, antwortete sie.
Will sah von einer zu anderen und verschränkte unsicher die Hände. Er wusste nicht so recht, was er als Nächstes tun sollte. Dann überwog seine Freude, Alyss wiederzusehen.
»Also, bleibst du lange? Hast du genug Zeit, dass ich dir die Insel zeigen kann?«, fragte er.
Alyss schüttelte bedauernd den Kopf.
»Nur heute und morgen«, sagte sie. »Für morgen Abend ist ein offizielles Bankett vorgesehen, aber heute Abend bin ich frei, und ich dachte …?« Sie ließ den Satz unvollendet.
Will ergriff die Gelegenheit sofort. »Dann lass uns heute Abend zusammen essen. Ich werde Edwina fragen, ob sie mir noch Essen für eine zweite Person bringen kann.«
»Edwina?«, wiederholte Alyss mit einem kleinen Lächeln. Sie blickte zum Haus und fragte sich, ob Will hier einen ganzen Harem an Frauen versteckt hatte.
Delia antwortete, bevor Will es erklären konnte. »Das
ist meine Mutter. Wir führen das Gasthaus hier am Ort.« Sie lächelte Will übermäßig freundlich an. »Ich kann es ihr ausrichten, wenn’s recht ist. Es wäre keine Mühe für sie und es ist ohnehin Zeit für mich zu gehen.«
Will zögerte, er wusste nicht, wie er mit dieser Situation umgehen sollte. »Oh … na ja … in Ordnung.« Dann, nachdem er vielleicht einen Moment zu lange gewartet hatte, fügte er hinzu: »Willst du uns nicht Gesellschaft leisten? Wir können ja alle zusammen essen?«
Delia verspürte einen Anflug von Triumph, als das Lächeln von Alyss’ Gesicht schwand, und einen Moment lang war sie versucht, das Angebot anzunehmen. Doch sie war
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