Die Chroniken von Araluen - Der Krieger der Nacht: Band 5 (German Edition)
Schweigen.
»Skorghijl? Was weißt du schon von Skorghijl?«
»Ich weiß, dass es eine karge Felseninsel ist«, antwortete Will. »Hunderte von Meilen entfernt im Nirgendwo. Es ist dort nass, kalt und unfreundlich. Aber es ist immer noch besser, als die Sturmweiße See bei schlechtem Wetter zu durchqueren.« Er machte eine kleine, wirkungsvolle Pause, dann fügte er beiläufig hinzu: »Zumindest war es so, als ich mit der Wolfswind dort war.«
Jetzt hatte er die Aufmerksamkeit, die er wollte. Die Wolfswind war Eraks Schiff gewesen, bevor er zum Oberjarl von Skandia gewählt worden war. Dennoch gab es sehr wenige Araluaner, die das wussten – die Nordländer schrieben die Namen nicht an ihre Schiffe. Will sah, wie die Männer leise miteinander sprachen, als ihnen klar wurde, dass der einzige Grund für diese ungewöhnliche Kenntnis der sein musste, dass der Waldläufer Erak persönlich kannte.
Das war genau der Gedanke, der Gundar jetzt durch den Kopf ging. Und doch hatte er den offensichtlichen Schluss noch nicht gezogen. Ulf hingegen schon. Er fasste Gundar am Arm.
»Er ist es«, sagte er drängend. »Der Kleine, der damals geholfen hat, die Reiter der Steppe zu besiegen!«
Gundar spähte zu der Gestalt auf dem Pferd. Er hatte von dem jungen Waldläuferlehrling gehört, der vor etwa vier Jahren Seite an Seite mit den Nordländern gekämpft hatte, doch er hatte ihn nie gesehen. Gundar war während des kurzen, blutigen Krieges mit den Temujai in einem anderen Teil des Landes gewesen. Ulf hingegen hatte mitgekämpft. Als Will jetzt seine Kapuze zurückschob, erkannte er ihn.
»Er ist es, Gundar!«, sagte er zu seinem Kapitän und fügte mit einem grimmigen Lachen hinzu: »Nur gut, dass du stehen geblieben bist. Ich habe gesehen, wie er bei den Temujai in fünf Sekunden fünf Sättel geleert hat.«
Und das war nicht alles, was Ulf wusste. Wenn dies der berühmte Lehrling war, dann war er auch ein enger Freund des Oberjarl. Erak aber war bekannt für seine Treue zu Freunden – und seinen Missmut jenen gegenüber, die diese beleidigten.
Gundar, der nicht der schnellste Denker war, kam ein paar Sekunden nach seinem Steuermann zu demselben Schluss. Er zögerte, nicht sicher, was er als Nächstes tun oder sagen sollte. Er und seine Männer hatten die Entscheidung, in Seacliff auf Beutezug zu gehen, nicht ohne Grund getroffen. Sie brauchten Vorräte, um die langen, bitteren Wintermonate auf Skorghijl zu überstehen. Die
kleine, kahle Insel bot den Schiffen einen sicheren Hafen, aber sonst sehr wenig, was Essen und Trinken betraf. Wenn die Mannschaft der Wolfswolke ohne Vorräte nach Skorghijl weitersegelte, würde sie vielleicht sterben. Auf jeden Fall aber wären die Männer sehr hungrig.
Gundar und seine Männer mussten Beute machen. Sie brauchten Fleisch, Reis und Mehl, um über den Winter zu kommen. Und am besten auch Wein, dachte Gundar. Unbewusst fuhr er sich dabei mit der Zunge über die trockenen Lippen. Freund hin oder her, der Oberjarl konnte es ihm wohl kaum verübeln, wenn er sich um seine Mannschaft kümmerte.
»Reite davon, Waldläufer«, rief er nach kurzer Überlegung. »Ich möchte meine Waffe nicht gegen einen Freund Skandias erheben, also gebe ich dir noch diese letzte Gelegenheit.« Er nahm die Streitaxt wieder auf und war verblüfft zu sehen, dass der junge Mann lächelte.
»Wie außerordentlich nett von Euch«, sagte Will freundlich. »Und wenn ich wegreite, was habt Ihr dann vor?«
Gundar deutete in Richtung der Burg und des Dorfes. »Das, weswegen wir hergekommen sind«, erklärte er. »Wir nehmen uns, was wir brauchen, und gehen.«
»Mit nur zehn Männern werdet Ihr nicht viel bekommen«, gab Will gelassen zu bedenken.
Gundar schnaubte wütend. »Zehn? Ich habe siebenundzwanzig Krieger bei mir!« Von seinen Männern kam ebenfalls ein aufgebrachtes Murren – allerdings nicht von Ulf, wie Gundar bemerkte.
Als der Waldläufer diesmal sprach, war sein Ton nicht
mehr freundlich, sondern kühl und hart. »Ihr habt das Dorf noch nicht erreicht. Ich habe noch dreiundzwanzig Pfeile in meinem Köcher und ein weiteres Dutzend in meiner Satteltasche. Und Ihr habt noch ein gutes Stück zu gehen, entlang des Waldes, in dem ein Bogenschütze sich gut verbergen kann. Als schlechter Schütze, der ich bin, dürfte ich es trotzdem schaffen, mehr als die Hälfte Eurer Männer zu treffen. Das heißt, Ihr erreicht das Dorf und die Burg mit gerade mal zehn Männern.«
Sofort wanderte Gundars Blick zu
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