Die Chroniken von Araluen - Der Krieger der Nacht: Band 5 (German Edition)
den Bäumen. Der Waldläufer hatte recht. Er konnte sich im Wald verstecken und sie ständig unter Beschuss halten, während sie zum Dorf marschierten.
Gundar fluchte verhalten, aber innerlich kochte er vor Wut. Er hatte das Gefühl, in der Falle zu sitzen, und wusste nicht, wie er entscheiden sollte. Einerseits würden seine Männer und er den Wintereinbruch auf See nicht überstehen, wenn sie nicht das Dorf überfielen. Andererseits, wenn sie es versuchten, würden sicher viele von ihnen sterben.
Will beobachtete ihn genau und wartete auf den richtigen Moment, ehe die aufgestaute Wut sich mit einer unvernünftigen Handlungsweise Bahn brach. »Wir könnten aber auch zu einer Übereinkunft kommen«, sagte er.
S ie kommen!«, schallte der Ruf des Beobachtungspostens vom höchsten Turm der Burg.
Ein Trupp nordländischer Krieger kam aus dem Wäldchen. Neben ihnen ritt, wie unschwer zu erkennen war, der Waldläufer Will.
»Er hat mit ihnen geredet, sagt Ihr?«, fragte Ergell bei seinem Heeresmeister nach, und Norris nickte. Als er Will im Wäldchen verlassen hatte, war er nicht weiter als bis zur nächsten Wegbiegung geritten und hatte die Geschehnisse beobachtet, um, falls nötig, einzuschreiten.
»Das ist richtig. Er hat sich einfach in den Weg gestellt und mit ihnen geredet. Ich sah, wie er einmal einen Pfeil als Warnung abschoss – genauer gesagt, habe ich es nicht direkt gesehen«, verbesserte er sich. »Dazu war er viel zu schnell.«
»Und er sagte etwas von einem Bankett?«
Diesmal zuckte Norris mit den Schultern. Er hatte diese Anweisung, so eigenartig sie war, bereits an Rollo weitergegeben. »Richtig, ein Bankett, Mylord. Allerdings kann ich Euch nicht sagen, was genau er im Sinn hat.«
Während sie miteinander sprachen, schätzte Ergell
grob, wie viele Männer sich der Burg näherten. Es durften etwa dreißig sein. Mit so vielen konnten sie es nicht aufnehmen. Sie würden sich damit abfinden müssen, dass das Dorf geplündert und niedergebrannt würde. Die Dorfbewohner selbst waren sicher innerhalb der Burgmauern untergebracht, und das Vieh war versprengt worden, wie Will es angeordnet hatte. Doch die Leute würden ihr Zuhause und ihre Besitztümer verlieren, und der Baron wusste, dass es seine Schuld war.
Die Nordländer hatten jetzt vor der Burg angehalten. Ergell sah, wie sich der Waldläufer aus dem Sattel heraus zu ihnen beugte und mit ihrem Anführer sprach, einem stämmigen Mann mit gehörntem Helm und einer Streitaxt in der Hand. Sie schienen sich über irgendetwas zu verständigen und Will galoppierte nun in Richtung Burg.
»Vielleicht sollten wir hören, was er uns zu sagen hat«, meinte der Baron und stieg mit seinem Heeresmeister die Treppe hinunter zum Hof.
Sie waren eben unten angekommen, als die Torwache Will durch die kleine Tür im großen geschlossenen Tor hereinließ.
Walt grüßte den Baron und Sir Norris mit einem Nicken. »Wir haben eine Vereinbarung mit den Nordländern, Mylord«, verkündete er.
Ergell fiel auf, dass er sehr laut sprach und das Wort »wir« benutzte, sodass jene in Hörweite annehmen konnten, dass er nach den Anweisungen des Barons gehandelt hätte. Das war sehr taktvoll. Es wäre ein Leichtes für den Waldläufer gewesen, die Autorität des Barons vor seinen
eigenen Leuten zu untergraben, und doch hatte er das nicht getan.
»Verstehe«, erwiderte er kurz. Er würde sich natürlich nicht anmerken lassen, dass er nicht die geringste Ahnung hatte, wovon Will sprach.
Der junge Waldläufer trat näher und senkte die Stimme, sodass nur Ergell und Norris ihn hören konnten.
»Sie brauchen Vorräte für den Winter«, erklärte er leise. »Deshalb sind sie hier. Ich habe ihnen gesagt, wir überlassen ihnen fünf Ochsen und zehn Schafe, außerdem noch eine vernünftige Menge an Korn oder Mehl.«
»Fünf Ochsen!«, begann Ergell aufgebracht, doch Wills kühler Blick ließ ihn verstummen.
»Sie werden sie sich sowieso nehmen«, sagte er, »und darüber hinaus noch das Dorf zerstören. Der Preis ist klein genug, Mylord.«
Er begegnete dem Blick des Barons entschlossen und unnachgiebig. Unausgesprochen schwebte die Feststellung im Raume, dass Ergell sich in dieser Situation befand, weil er – und Norris – zu nachlässig gewesen war.
Norris nickte bereits und gab sein Einverständnis kund. »Die Ochsen können aus meiner Herde kommen, Mylord«, bot er an.
Ergell wusste, dass sein Heeresmeister damit seinen Teil der Verantwortung übernahm. Er seufzte.
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