Die Chroniken von Araluen - Die Belagerung: Band 6 (German Edition)
nach. »Ich denke schon. Solange wir seinen Wunsch nach Zurückgezogenheit achten. An erster Stelle steht für ihn der Schutz der Leute, die bei ihm Hilfe gesucht haben.«
Crowley nickte einige Male. »Wir werden später noch darüber reden.« Er seufzte. »Dringender ist das Problem mit Meralon«, sagte er zu Walt.
»Der Mann ist ein Narr«, stellte Walt unumwunden fest.
Crowley nickte. »Er hat es sich offensichtlich in Norgate zu bequem gemacht … und sich viel zu stark an den Baron und seinen Heeresmeister angeschlossen. Ein Waldläufer muss seine Unabhängigkeit bewahren. Ich denke, wir sollten ihn abberufen und einen Mann hinschicken, dem wir vertrauen können.«
»Jemand mit gesundem Menschenverstand«, fügte Walt hinzu.
Will merkte, dass sie trotz seiner Anwesenheit bereits geheime Personalfragen erörterten. Das sagte wohl etwas über ihre Wertschätzung für ihn aus. Dann schrillten plötzlich bei ihm alle Alarmglocken, als ihm klar wurde, dass sie ihn möglicherweise in das kalte Lehen im Norden schicken wollten. Die Aussicht, es ständig mit dem eingebildeten Sir Doric zu tun zu haben, war alles andere als verlockend. Die beiden altgedienten Waldläufer starrten ihn nachdenklich an. Schließlich brach Crowley das Schweigen.
»Ich denke an Gilan«, sagte er.
Walt nickte zustimmend. »Es wird Zeit, dass er mehr Verantwortung bekommt. Er wäre für den Posten gut geeignet.«
Will entfuhr ein Seufzer der Erleichterung. Sowohl Walt als auch Crowley hörten es. Walt zog die linke Augenbraue hoch.
»Du hast doch nicht etwa im Ernst angenommen, dass wir dich in Erwägung ziehen?«, fragte er, und Will beeilte sich, das zu verneinen.
»Nein! Nein! Natürlich nicht!«
»Genau, natürlich nicht! Wenn wir dich dorthin schickten, würdest du ständig die Nordländer zu Mittag einladen und jeden, den du nicht magst, in die Sklaverei verkaufen!«
Crowley ergänzte: »Das könnten wir in Norgate gar nicht gebrauchen. Es ist ein sehr heikler Posten.«
»Gerechterweise«, sagte Walt, »muss ich mich verbessern. Er hat niemanden in die Sklaverei verkauft . Aber wir könnten es genauso wenig zulassen, dass er die Leute in die Sklaverei verschenkt .«
»Nein, gewiss können wir das nicht«, stimmte Crowley zu. Dann konnte er sich ein Grinsen nicht mehr verkneifen, und Will begriff, dass sie ihn wieder einmal auf den Arm nahmen.
»Vielleicht sollte ich uns Kaffee machen?«, bot er mit so viel Würde und Ernst an, wie er nur aufbrachte. Er fand es höchst unpassend, dass der Oberste Meister des Bundes der Waldläufer in ein so albernes Kichern ausbrach.
Nach dem Abendessen seufzte Crowley und griff nach seinem Schreibzeug. Nachdem er nun auch noch Wills mündlichen Bericht gehört hatte, musste er einen ausführlichen schriftlichen Rapport für den König verfassen.
»Wer gut gegessen hat, muss zur Strafe arbeiten«, sagte er und stellte eine Laterne auf den Baumstumpf hinter sich, damit er beim Schreiben ausreichend Licht hatte.
Walt stand auf. »Lass uns noch einen kleinen Spaziergang machen«, schlug er Will vor. »Ich möchte mir Crowleys Jammern und Seufzen beim Berichtschreiben ersparen.«
Will grinste, stand auf und ging mit ihm ein Stück.
Unter einer riesigen Eiche, die das Ende des Versammlungsplatzes markierte, blieben sie stehen. Aus Gewohnheit suchten sie beide stets den Schutz von Bäumen und mieden das offene Land. Das war wohl Teil ihres Lebens als Waldläufer.
»Du hast deine Aufgabe sehr gut erledigt«, sagte Walt schließlich. »Ich bin stolz auf dich.«
Will blickte seinen alten Lehrer an. Wie bei so vielen anderen Gelegenheiten war Walts Gesicht zum Teil hinter seiner Kapuze verborgen. Alles, was Will von ihm sehen konnte, waren sein Kinn und sein Bart. Der Rest blieb im Dunkeln. Doch seine einfachen Worte bedeuteten Will mehr als jede offizielle Auszeichnung, Ordensverleihung oder gar Beförderung.
»Danke!«, erwiderte er schlicht.
Walt sah ihn jetzt an. Auch Wills Gesicht war hinter seiner Kapuze verborgen, doch Walt war ein Kenner der Körpersprache, und er sah, dass die Schultern seines ehemaligen Lehrlings leicht nach vorne hingen. Schon seit seiner Ankunft spürte er eine gewisse Traurigkeit bei Will.
»Alles in Ordnung?«, fragte er.
Will zuckte mit den Schultern. »Ja … na ja, nein … ach, wahrscheinlich schon.«
»Tja, da habe ich ja eine reichliche Auswahl an Antworten«, sagte Walt. Er wartete, aber Will schien nichts weiter sagen zu wollen. Schweigend liefen
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