Die Chroniken von Araluen - Die brennende Brücke: Band 2 (German Edition)
Tausenden stampfenden Füßen der Wargals aufgewirbelt. Der Sprechgesang ertönte, ein Rhythmus von Hass und Bösartigkeit. Morgarath begann zu lachen. Zuerst leise, dann immer lauter und wilder. Dies war sein Tag, sein
Augenblick. Dies war die Erfüllung seiner Bestimmung.
»Schneller!«, rief er, zog sein Breitschwert aus der Scheide und schwang es in weit ausholenden Kreisen über dem Kopf. Die Wargals mussten seinen Ruf gar nicht hören. Er konnte sie allein durch Gedanken befehligen. Der Sprechgesang wurde schneller und die Armee von Regen und Nacht drängte voran.
Im offenen Gelände herrschte heilloses Durcheinander. Der Feind, der kehrtgemacht hatte, um sich gegen die Nordländer zu verteidigen, sah jetzt die neue Bedrohung auf sich zumarschieren. Die Soldaten zögerten und aus einem für Morgarath rätselhaften Grund reagierten sie auf drei Signaltöne, indem sie sich zu den Flanken hin zurückzogen und damit einen Spalt in ihrer Linie aufmachten.
Morgarath schrie triumphierend auf. Er würde seine Armee in die Lücke treiben und dadurch den linken und rechten Flügel der Armee trennen. Sobald erst einmal die Frontlinie der Armee durchbrochen war, verlor sie jeglichen Zusammenhalt und war so gut wie besiegt.
»Nach rechts!«, schrie Morgarath und deutete mit dem Schwert auf König Duncans Adlerstandarte. Wie immer wurde der Befehl von den Wargals sofort ausgeführt. Die Armee drehte ab und marschierte auf die Lücke zu. Über den Sprechgesang hinweg hörte Morgarath ein dumpfes Trommeln. Ein unerwartetes Geräusch.
Hufschläge!
Der plötzliche Zweifel, der in ihm aufstieg, übertrug sich sofort auf seine Kämpfer. Die Vorhut zögerte einen Moment, bis Morgarath sie fluchend vorantrieb. Aber die Hufschläge waren immer noch zu hören, und nun nahm Morgarath auch verdächtige Bewegungen wahr. Plötzlich überkam ihn Angst und Sorge, und wieder zögerten die Wargals.
Bevor er sie diesmal vorwärtstreiben konnte, teilten sich die Staubwolken und ein keilförmiger Reitertrupp kam in Sicht.
Es war keine Zeit mehr, einen Verteidigungblock zu bilden. Der Gegner stieß bereits in die Frontlinie der Wargals und drängte bis ins Herz von Morgaraths Armee vor, so wie es seinerseits Morgarath bei seinen Feinden vorgehabt hatte. In der Ferne ertönte ein Signalhorn.
Morgarath stellte sich in den Steigbügeln auf, und als er sich umschaute, sah er auf beiden Flügeln von Duncans Armee Reiterei auf sich zukommen. Sie stießen in seine Flanken und zerstörten seine Formationen. Benommen wurde ihm klar, dass er seine Armee der schlimmstmöglichen Situation ausgesetzt hatte, die überhaupt möglich war: im freien Feld überrascht von der vollen Kraft von Duncans Reiterei.
Die Wargals sahen sich den vielen Pferden gegenüber, die einzigen Kreaturen, die sie fürchteten. Morgarath spürte förmlich ihren dumpfen Geist, der
nur Vernichtung kannte. Er versuchte, sie mit der Kraft seiner Gedanken weiterzuzwingen, doch ihre Furcht vor Pferden war zu stark. Voller Wut befahl er daraufhin den Rückzug. Er wendete sein Pferd und mit seinen Gefolgsmännern galoppierte er durch seine Reihen zurück und bahnte sich dabei rücksichtslos mit dem Schwert den Weg.
Am Drei-Schritte-Pass gab es ein hoffnungsloses Durcheinander, als die Nachhut versuchte, durch den engen Spalt zwischen den Felsen zurückzuweichen. Für Morgarath gab es dort kein Entkommen – doch Entkommen war auch das Letzte, was er im Sinn hatte. Sein einziger Wunsch war nun der nach Rache. Er wollte sich an jenen rächen, die seine Pläne durchkreuzt hatten. Er zog seine verbleibenden Truppen im Halbkreis zur Verteidigung zusammen.
Fassungslos versuchte er, sich einen Reim auf das zu machen, was gerade passiert war. Der Angriff der Nordländer war fehlgeschlagen, als habe es ihn nie gegeben. Und dann wurde ihm klar, dass es diesen Angriff auch tatsächlich nie gegeben hatte. Die Soldaten, die vom Kamm herunterströmten, trugen zwar die Helme der Nordländer und ihre Schilde, aber es war eine Finte gewesen, um ihn zum Angriff zu verleiten. Die Tatsache, dass sie die Helme und Schilde besaßen, bedeutete, dass Horths Truppen bereits besiegt worden waren. Das konnte nur geschehen sein, weil jemand eine Truppe durch den
eigentlich unpassierbaren Dornbuschwald geführt hatte.
Jemand?
Morgarath ahnte, nein wusste, wer dieser Jemand war. Er konnte nicht sagen, warum oder wie er das so genau wusste. Es gab nur einen, der das getan haben konnte.
Walt.
Bitterer Hass
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