Die Chroniken von Mondoria. Das Artefakt (German Edition)
sich mit einem freundlichen Nicken von Snip. Danach stieg er auf sein gigantisches Reittier und ritt vor sich hin pfeifend in die Abendsonne davon.
Die Erinnerung durchfuhr den Goblin wie ein Stromschlag. Sein Herz schlug spürbar schneller. Mit einem Ruck drehte er seinen Kopf zum Stammeshäuptling. Die Worte kamen ihm hastig über die Lippen: „Darf ich an mein Gepäck? Ich brauche dringend etwas von dort.“ Tirzipp nickte. Was hatte er schon zu verlieren? Es dauerte nicht lange, bis Snip das Fläschchen gefunden hatte. Etwa ein Viertel davon flößte er dem Schamanen ein. „Jetzt heißt es warten.“ Und so saßen sie nun schon seit einigen Stunden in Bikkas Zelt und redeten. Der Sohn des Wolfsreiter-Häuptlings entpuppte sich als ein wirklich angenehmer Gesprächspartner und mindestens ebenso neugierig wie Snip. Die beiden erzählten sich viel über ihre jeweilige Lebensweise, über ihre Stämme, ihre Kultur, ihre Bräuche und vieles mehr. Sie lachten und scherzten. Wären da nicht die bewaffneten Krieger im Hintergrund gewesen, man hätte sie für Freunde halten können, die sich einfach viel zu erzählen hatten. Snip erfuhr viele spannende Dinge über die freien Goblins und besonders über die Wolfsreiter. Denn nicht alle freien Goblins gehörten zu den Wolfsreitern. Einige lebten in der Steppe, wo sie kleine pferdeartige Tiere kultivierten, auf denen sie ritten und die ihre Streitwagen zogen. Wieder andere Goblinstämme wohnten in Höhlen und nutzten die Fähigkeiten der Kreaturen, die es dort gab. Ja, es sollte sogar Goblins geben, die zur See fuhren. Das konnte Snip sich zwar überhaupt nicht vorstellen. Aber wie hieß es im Buch des weisen Toi Oh Ta: „Nichts ist unmöglich.“ Bikka erzählte weiter, dass der Stamm der roten Kralle diesen Wald unangefochten beherrschte. Und das hieß auch: Sie kontrollierten den Weg, den Snip und seine Gefährten genommen hatten. Handelsreisende zahlten ihnen einen angemessenen Wegezoll, um sicher passieren zu können. Andere Reisende wurden mitunter überfallen und ausgeraubt. Ansonsten blieb der Stamm aber weitgehend unter sich. Kontakte zu anderen Goblins, aber auch zu Angehörigen anderer Rassen gab es nur sporadisch, und sie beschränkten sich auf das Nötigste. So kamen sie schon seit Generationen gut zurecht und bewahrten sich ihre Unabhängigkeit. Das Leben der Wolfsreiter machte großen Eindruck auf Snip, auch wenn es in vielerlei Hinsicht sehr einfach und schlicht erschien. Die beiden Goblins waren so sehr in ihr Gespräch vertieft, dass sie zunächst gar nicht merkten, dass Tirzipp die Hütte betrat. Sein Gesichtsausdruck hatte sich deutlich aufgehellt . „Snoddrig ist aufgewacht!“, jubelte er, „Es geht ihm besser.“ Diese Nachricht ließ die beiden Goblins aufspringen. Sie fielen sich in die Arme. Große Erleichterung stand in ihren Minen. Dann liefen sie gemeinsam zur Hütte des Schamanen, um sich selbst von seiner Genesung zu überzeugen. Das ganze Dorf befand sich auf den Beinen. Die gute Nachricht hatte sich wie ein Lauffeuer bei den Bewohnern herumgesprochen. Überall freuten, jubelten und sangen die Wolfsreiter. Und wo immer auch Snip vorbeilief, zeigten sie auf ihn und riefen ihm freundliche Worte zu. Zum ersten Mal in seinem Leben fühlte sich Snip wie ein Held, wie einer von den Guten. Er hatte für die Goblins hier in diesem Dorf etwas Bedeutendes geleistet. Und das machte ihn stolz. Zugleich hatte er mit dieser Tat auch sein eigenes Leben und das der beiden Orks gerettet. Eine nicht minder wohltuende Erkenntnis.
Kapitel 10
Ihre Pferde standen erholt und voll beladen am Eingang des Dorfes. Zwei Wolfsreiter brachten gerade noch einige Felljacken, -mützen und –handschuhe, die sie den Orks in die Hand drückten. Die nahmen sie dankbar entgegen und verstauten sie in ihrem Gepäck. Während der letzten zwei Tage hatten sie alle zusammen ausgiebig gefeiert. Snoddrig erholte sich schnell und konnte nun selbst mit seinen Kenntnissen zur weiteren Genesung beitragen. Es stellte sich heraus, dass die Wolfsreiter ganz hervorragend feiern konnten. Snip und die beiden Orks – die unverzüglich aus ihrer Gefangenschaft befreit worden waren – ließen es sich gut gehen und genossen es, einmal nicht über Probleme und Schwierigkeiten nachdenken zu müssen. Doch schließlich wurde es Zeit wieder zu gehen. Tirzipp hatte ihnen von einem Pass über das Gaffel-Gebirge erzählt. Na ja, Pass war eigentlich übertrieben; denn es handelte sich eher um
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