Die Chroniken von Ninavel – Die Blutmagier
dich auf.« Er hatte denselben Akzent wie Kiran.
»Verflucht noch eins«, zischte ich. »Wie viele von euch trampeln hier eigentlich durch die Gegend?«
Er legte den Kopf schräg. In seinen Augen spiegelte sich das Magierlicht. »Nur ich, mein Meister und Kiran. Du willst ihm helfen, nicht wahr? Das habe ich dir angesehen.«
»Du musst Mikail sein.« Kiran hatte nicht viel von ihm erzählt, schien ihn aber nicht so zu fürchten wie Ruslan.
Mikail nickte. Ein Blitz überzog sein flaches Gesicht mit Blau. Er kniff die Lippen zusammen. »Kiran weiß nie, wann er aufhören sollte«, murmelte er. Dann sagte er lauter: »Er ist Ruslan ähnlicher, als du glaubst.«
Meine Skepsis war mir offenbar anzusehen, denn er stieß ein ironisches Lachen aus. »Hat er Ruslan und mich als Ungeheuer bezeichnet und sich als das unschuldige, hilflose Opfer hingestellt?«
»Das braucht er mir nicht erst zu erzählen«, antwortete ich scharf. »Ruslan beweist das höchstpersönlich.« Wieso redete er mit mir, anstatt mich kaltzumachen oder mit Magie zu binden?
»Wäre Kiran nicht genauso besessen, stur und unversöhnlich wie Ruslan, wäre das alles nicht passiert.« Er klang, als wäre er’s leid. Er drückte mir einen dicken, stark verzierten Silberreifen in die Hand. Ein Amulett. »Das habe ich in Simons Hütte gefunden. Wenn du Kirans Freiheit willst, lege es an.«
»Was bewirkt es? Moment mal – warum willst du, dass Kiran freikommt?« Ich würde keinem trauen, der Ruslan seinen Meister nannte.
Mikail zuckte die Achseln. »Ruslan wird ihn zu weit treiben. Sieh ihn dir an.« Draußen auf der Wiese taumelte Kiran und fiel auf ein Knie. Er musste sich mit beiden Händen am Boden abstützen. Die Lichtspiralen rings um ihn verblassten, dann flammten sie erneut auf.
»Ruslan will Kiran hindern, weiter auf die Kräfte zuzugreifen, die hier im Boden zusammenfließen, weil er glaubt, ihn damit zum Aufgeben zu zwingen. Aber ich kenne meinen Bruder. Da die Zeichenbindung noch instabil und Lizavetas Herzbindung zerbrochen ist, wird Kiran eher seine ganze Lebenskraft vergeuden, als einzulenken«, sagte Mikail unglücklich.
»Dann hilf ihm doch! Du bist ein Magier!«
»Ruslan angreifen?« Er musterte mich, als wäre ich geistig minderbemittelt. »Das würde er mir nicht verzeihen – und ich bin nicht Kiran.« Er fasste mich an der Schulter. »Versteh mich nicht falsch. Ich finde, Kiran macht sich zum Narren. Aber ich sehe ihn lieber als lebendigen, denn als toten Narren. Darum musst du dich nun entscheiden: Hilf ihm oder sieh zu, wie er stirbt, und nimm es dann selbst mit Ruslan auf.«
Die Entscheidung war nicht schwer. Ich blickte auf den Armreif in meiner Hand. »Was macht dieses Ding?«
Mikail lächelte, aber nicht mit den Augen. »Das ist eine Waffe, die nur ein Nathahle benutzen kann.«
Das war noch verrückter als alles andere. Aber auf die geringe Chance hin, Kiran zu retten, war ich bereit gewesen, mich vonSimon umbringen zu lassen. Die jetzige Lage war nicht wesentlich anders.
Ehe ich’s mir anders überlegen konnte, schob ich die Hand durch den Armreif. Mikail fasste ihn an und murmelte ein paar Worte. Der Armreif leuchtete grün auf. Prickelnde Wärme lief mir den Arm hinauf.
Und dann – oh, und dann – mir blieb die Luft weg, als sich tief in mir etwas bemerkbar machte, was ich für immer verloren geglaubt hatte.
Meine Behaftung! Ich war überwältigt und hätte am liebsten laut gejubelt. Konnte das wirklich wahr sein? Mein Blick fiel auf einen Stein vor Mikails Füßen. Mit fast schmerzhafter Vorfreude griff ich geistig aus.
Das altvertraute Gefühl der Macht sandte mir einen ekstatischen Schauder über den Rücken. Der Stein sprang in die Höhe, schwebte dort und sank langsam hinunter.
Gleichzeitig spürte ich einen heftigen Stich im Magen, aber das kümmerte mich nicht. Überschäumende Freude füllte das dunkle Loch in meiner Seele, das ich seit meinem Wandel empfunden hatte. All die Jahre hatte ich mich innerlich so tot gefühlt und jetzt plötzlich wieder so lebendig.
Eine donnernde Explosion riss mich aus der Begeisterung. Ich sah Mikail zähnefletschend an, er neigte den Kopf und trat zur Seite.
Der Stein plumpste herab, als ich meine Aufmerksamkeit auf Ruslan richtete. »Mal sehen, wie dir das gefällt, du arroganter Scheißkerl«, knurrte ich und versetzte ihm einen Stoß, der sich gewaschen hatte.
KIRAN
Feuerwände gingen auf Kiran nieder und schlugen seinen Körper mit ungezügelter
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