Die Chroniken von Ninavel – Die Blutmagier

sein?«
    Unfassbar, aber er hielt sich tatsächlich für akzeptabel. Andererseits dachte das jeder Schurke von sich, egal ob er nun Roter Dal, Tavian oder Ruslan hieß. Letzten Endes waren sie alle gleich.
    Kiran starrte Ruslan mit dunklen Augen an. »Ich liebte Alisa, und du hast sie getötet. Nein, du hast sie nicht bloß getötet   – du hast ihre Schmerzen, ihre Tränen, ihr Blut benutzt   …« Sein Atem ging stoßweise, seine Fäuste bebten. Gequält dachte ich an meine niederdrückende Angst um Cara, nachdem ich begriffen hatte, dass Ruslan ein Blutmagier war. Sie hatte seinen Besuch überlebt, aber wäre es anders gekommen, würde mich der Schmerz zerreißen.
    Ruslan schnaubte verärgert. »Was muss ich tun, um es dir begreiflich zu machen? Sie war ein Nichts. Die Nathahlen stehen so weit unter uns wie die Tiere.«
    Und das war der Mann, den Pello hatte retten wollen. Soweit ich das sah, waren Ruslan und Simon von ein und derselben Sorte. Wie Sechaveh nachts überhaupt schlafen konnte, war mir ein Rätsel.
    »Sie war kein Nichts! Sie war schön und freundlich und gut und bereit, etwas zu geben!« Kiran wurde immer lauter. »Während du immer nur nimmst und manipulierst und tötest!« Dann blickte er qualvoll. »Lieber vernichte ich mich selbst und meine Magie, als zu leben wie du!«
    »Sei nicht albern«, sagte Ruslan kalt. »Ich habe lange Geduld mit dir gehabt, jetzt ist sie zu Ende. Wenn du dich benimmst wie ein ungezogenes Kind, muss ich dich wie eines behandeln.« Er hob den Kopf und bekam einen intensiven Ausdruck.
    Kiran fuhr zurück und griff sich an die Schläfen. Ich bohrte die Finger in die Handflächen. Zur Hölle mit Ruslan und seiner verfluchten Magie. Ich hasste es, so hilflos zu sein.
    Kiran ließ die Hände sinken und fasste sich an das Zeichen an seiner Brust. Dann lachte er ungestüm. »Die Bindung   … nach dem Rückstoß hat sie sich noch nicht wieder aufgebaut. Du hast keine Macht über mich!«
    Dann hau ab!, beschwor ich ihn stumm. Bei Khalmets Hand, worauf wartest du noch!
    Ruslans Gesicht wurde finster. »Provoziere mich nicht.« Er hob die Hand, sie war in rote Flammen gehüllt.
    Kiran hob beide Hände, und vor ihm schoss eine blaue Flamme auf, gerade als ein knisternder Lichtstrahl von Ruslan auf ihn zusauste. Blaue und rote Funken sprühten, und Kiran taumelte rückwärts. Er griff mit gekrümmten Fingern durch die Luft. Schwach glühende Linien erschienen, die plötzlich aufflammten und auf Ruslan übersprangen. Ruslan verzog knurrend den Mund und wehrte sie ab, dass Funken nach allen Seiten sprangen.
    Kiran drehte sich um und rannte auf die Wiese hinaus. Ruslan setzte ihm nach. Ein greller Blitz warf scharfe Schatten auf den Höhlenboden, und ein Donner ließ mich zusammenfahren. Über mir knirschte es verdächtig im Gestein. Staub rieselte herab.
    »Scheiße!«, zischte ich. Wenn die so weitermachten, würde noch die ganze Felswand einstürzen und mich zu Mus zerquetschen. Die andere Option war, nach draußen zu kriechen und mich von Ruslan zerreißen zu lassen. Na großartig. Der nächsten Explosion folgte ein lauteres Knirschen über mir, das die Entscheidung fällte. In Windeseile kroch ich aus meinem Versteck und betete, dass Ruslan zu sehr mit Kiran beschäftigt wäre, um mich zu bemerken, und dass das Amulett um meinen Hals noch wirkte.
    Vorsichtig spähte ich um den Schutthaufen herum nach draußen. Kiran und Ruslan standen einander gegenüber auf der Wiese, gleich neben der Leiche von Simons Diener. Wilde Lichtkränze flammten auf und prallten gegeneinander. Über der ganzen Wiese ging ein Funkenregen nieder. An manchen Stellen brannte schon das Gras. Khalmet sei Dank, dass es nicht Hochsommer war, sonst hätte die Wiese gebrannt wie Zunder. Es war höchste Zeit, abzuhauen. Aber ich zögerte noch und schaute zu Kiran, der sich mit verzweifelter Wut zur Wehr setzte. Leider konnte ich nichts für ihn tun.
    Ruslan stand mit dem Rücken zu mir. Wenn ich schnell rannte, würde ich es unbemerkt zu den Bäumen schaffen. Ich machte einen vorsichtigen Schritt   – und zum zweiten Mal in dieser Nacht packte mich eine Hand an der Schulter.

ZWEIUNDZWANZIG
DEV
    Mit einem erstickten Schrei fuhr ich herum, überzeugt,Simon zu sehen.
    »Still!« Diesmal war es nicht Simon. Vor mir stand ein rotblonder Kerl in meinem Alter mit einem breiten ernsten Gesicht und schrägen grauen Augen. Er hielt eine Hand hoch, die in grünes Magierlicht gehüllt war. »Wenn du rennst, halte ich