Die Chroniken von Ninavel – Die Blutmagier
Sonne ausbreitete und mit geschlossenen Augen ein Klagelied anstimmte.
DEV
»Was macht der Rat denn jetzt?«, fragte ich aufgebracht schon zum zehnten Mal. Ich saß in einem abgeschlossenen Raum fest und hatte die Wahl, ob ich die grauen Steinwände oder die zwei alten Holzstühle oder Lenas ernstes Gesicht anstarren wollte. Ich war gereizt wie ein Schwarm aufgestörter Stinkwespen.
Lena stieß einen übertriebenen Seufzer aus. »Ich sagte doch schon, das Ritual dauert lange. Unsere Magie ist anders als die, die du aus Ninavel kennst. Nicht so angeberisch, dafür subtiler.«
»Du meinst, langsam wie eine Schildkröte mit Achillessehnenriss«, brummte ich. Simon hatte nur einige Augenblicke gebraucht, um Pellos Gedanken zu durchsuchen. Andererseits war er nicht besonders gründlich gewesen. Aber entweder gruben die Kirans Gedächtnis zehnmal um oder ihr Zauber hatte nocheinen dunkleren Zweck, auch wenn Lena das Gegenteil beteuerte.
Verflucht noch eins, ich konnte nicht mal auf und ab gehen, um die Zeit totzuschlagen. Das hatte ich versucht und war nach ein paar Schritten lang hingeschlagen. Darauf hatte Lena mich auf einen Stuhl gesetzt und mir befohlen sitzen zu bleiben. Wenn ich auch nur mit dem Fuß zuckte, kniff sie schon warnend die Augen zusammen.
Sie hielt den Rücken so gerade, dass es mir beim Hinsehen wehtat. Ich rutschte tiefer an der Stuhllehne hinab. Der brutale Eifer in Niskenntals Blick, als er vorschlug, mich lebendig zu verbrennen, verfolgte mich.
»Du kennst doch den Rat«, sagte ich. »Wie viele denken wie Niskenntal?«
Lena zog die Brauen zusammen. »Nicht alle. Und Hauptmann Martennan wird aussagen, dass wir von der Durchlässigkeit unseres Grenzwalls nichts wüssten, wenn du nicht Cara zu uns geschickt hättest.«
»Nicht alle« – das war leider weit entfernt von »keiner«. Ich verscheuchte Visionen mit hungrigen Flammen. Martennans Interesse könnte ich vielleicht mal als Druckmittel gebrauchen, falls ich herausfände, worin es bestand.
»Welches Spiel spielt er bei der Sache?«
»Wie meinst du das?«
»Er ist zwei angeklagten Kriminellen gegenüber schrecklich hilfsbereit.«
»Er ist ein guter Mensch.« Das kam mit voller Überzeugung.
»Ja, sicher.« Ein kluger Taktiker vielleicht, aber gut? Cara hatte von einem Soldaten erfahren, dass die Hauptleute der Siebten Wache an Macht und Einfluss gleich hinter den beiden Magiern des Rates kamen. Gute Menschen stiegen nicht so hoch auf.
»Du traust eigentlich keinem, nicht wahr?« Es klang ein bisschen mitleidig. Ich richtete mich kerzengerade auf.
»Natürlich tue ich das«, erwiderte ich gereizt. »Aber erst mal warte ich ab, ob derjenige das Vertrauen verdient, und außerdem höre ich immer auf meinen Instinkt. Im Augenblick sagt mir mein Instinkt, dass Martennan dabei etwas zu gewinnen hat.«
Lena verschränkte die Arme. »Du hast nicht ganz unrecht.« Sie zögerte. »Ich nehme an, du weißt nicht viel über unsere Politik …«
Nein. Abgesehen von der Grenzabfertigung war mir bisher reichlich egal gewesen, wie die Alather die Dinge handhabten. Ich war immer so kurz wie möglich in Alathien geblieben, hatte nur die Waren abgeliefert, Proviant besorgt und mich auf den Rückweg gemacht.
»Hauptmann Martennan und einige andere Offiziere der Wache meinen, dass der Rat zu restriktiv ist und noch andere Magiearten zulassen sollte.« Sie zögerte erneut. »Er hat es zwar nicht gesagt, aber ich vermute, er hofft, dass der Rat seine bisherige Politik überdenkt.«
»Er will Blutmagie wirken?«, fragte ich verblüfft.
»Natürlich nicht«, widersprach sie mit Abscheu in den Augen. »Aber es gibt andere Möglichkeiten. Er denkt, wir könnten unsere Methoden weiterentwickeln, wenn wir nicht reflexhaft alles Fremde ablehnten.«
Andere Arten von Magie, aha. Martennan gedachte, die Gefahr durch Ruslan als Hebel zu benutzen, damit der Rat seine Verbote lockerte – bestimmt würde er behaupten, dass zur Verteidigung mächtigere Zauber nötig wären. Und er wollte Kiran vor der Hinrichtung bewahren, damit er sein Wissen über verbotene Magie anzapfen konnte. Guter Mensch, von wegen! Aber wie Cara richtig meinte: Solange er Kiran das Leben rettete, sollte ich seine Hilfe erst mal annehmen. Über seine Beweggründe konnte ich mir später Gedanken machen.
Das Problem war nur, dass er vermutlich keinen Grund sah, warum er meins auch retten sollte.
Die Tür wurde von außen entriegelt. Lena griff zu spät nach meinem Arm; ich sprang
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