Die Chroniken von Ninavel – Die Blutmagier
gefährliche Nähe der Grenze kommt. Reichlich Zeit, um sich einen Plan auszudenken, und ich kenne ein Dutzend Arten, einem Find-mich-Zauber zu entgehen.«
Kiran verkniff sich seine Einwände. Er wagte es nicht, ihn weiter zu drängen, damit Dev nicht von Neuem misstrauisch würde. Und Dev hatte recht, es blieb noch ein bisschen Zeit. Vielleicht genug für eine eigene Lösung.
Er sollte aufhören, sich wie das naive Kind von damals zu verhalten, das sich stets auf Leitung und Schutz verließ. Auf diesen Luxus würde er in Alathien verzichten müssen. Je eher er seine Eigenständigkeit guthieße und lernte, sich selbst zu helfen,desto besser. Es musste doch möglich sein, Pello einzuschüchtern und damit zum Schweigen zu bringen – schließlich war der Mann zu klug, um sich vor Magiern nicht in Acht zu nehmen, selbst wenn er bei Kiran ein Hemmnis vermutete.
Und falls Kiran doch nicht zurechtkäme, könnte er sich immer noch an Dev wenden, als letztes Mittel, ihm die Wahrheit sagen, seinen unvermeidlichen Zorn besänftigen und dann bitten, versprechen, drohen, was immer nötig wäre, um Dev zur Hilfe zu bewegen und von einem Verrat abzubringen. Denn dann hätte er ohnehin nichts mehr zu verlieren.
Dev musterte ihn nachdenklich. »Was hat er dich gefragt, bevor er dich anfasste?«
Wieder auf gefährlichem Terrain. »Er redete über den See. Dann meinte er, ich erinnere ihn an jemanden, den er mal kannte, und fragte mich nach meiner Familie. Ich gab an, sie seien Buchbinder.« Ihm kam eine Idee. »Ach, und er redete über dich.«
»Ach nee.« Dev spie die Worte aus wie etwas Verdorbenes.
»Er sagte, du seist als Kind verkauft worden. Ist das wahr?« Er brauchte keine Neugier vorzutäuschen.
»So ziemlich.« Dev lehnte sich gegen den Felsblock, sodass sein Gesicht im Schatten lag. »Brachte er das auf, bevor oder nachdem du das mit den Buchbindern gesagt hast?«
»Bevor«, antwortete Kiran langsam. »Warum?« Er wünschte, er könnte Devs Gesichtsausdruck deuten.
»Will nur seinen Gedankengang nachvollziehen.«
Kiran hoffte inbrünstig, es möge ihm nicht gelingen. »Aber wie war das … warum wurdest du verkauft?«
Dev drehte den Kopf. Seine grünen Augen schimmerten. »Ich schließe daraus, dass du nicht in Ninavel geboren wurdest.«
»Warum – oh!« Plötzlich begriff er Pellos Bemerkung. »Du warst behaftet.« Ihm kamen tausend Fragen auf einmal in den Sinn. Der Sohn des Kochs war behaftet gewesen, aber nur soweit, dass er die Tassen im Nebenzimmer zum Klirren bringen oder Kieselsteine verschieben konnte, ohne sie anzufassen. Trotzdem war Kiran davon beeindruckt gewesen. Wenn Mero damals Steinchen bewegte, fühlte Kiran nichts, ganz gleich wie stark er seine Sinne darauf richtete. Du fühlst nichts, weil es keine Magie zu fühlen gibt, sagte Ruslan, als er ihn danach fragte. Die Kräfte des Zusammenflusses sind innerhalb der Stadtgrenzen sehr mächtig und wirken sich auf die Nathahlen im Mutterleib aus. Aber das Resultat besteht lediglich in einer ordinären, vorübergehenden Fähigkeit, Gegenstände auf der physikalischen Ebene zu beeinflussen und auch nur in der Nähe des Zusammenflusses. Magie unterliegt solchen Beschränkungen nicht. Ruslans wegwerfende Bemerkung verringerte Kirans Interesse nicht. Doch kurz darauf verschwand Mero, und die anderen Diener wollten Kiran und Mikail nicht mehr ansehen und schon gar nicht mit ihnen sprechen.
»Wie fühlt man sich mit der Behaftung?«, fragte er.
»Weiß ich nicht mehr«, antwortete Dev tonlos. Er stand auf. »Sofern du nicht im Dunkeln von Stein zu Stein springen willst, sollten wir jetzt gehen. Und wenn die Sonne untergegangen ist, wird es hier kälter als das Lächeln eines Dämons.« Die letzten Sonnenstrahlen färbten die verschneiten Gipfel dunkelrot.
Kiran verfiel in Schweigen. Seine Erleichterung, Dev abgelenkt zu haben, mischte sich mit Bedauern. Fürs Erste würde er seine Neugier nicht befriedigen können. Er stemmte sich hoch, und seine Gedanken kreisten gleich wieder um Pello. Er könnte ihm mit magischer Vergeltung drohen, einen mächtigen Partner in Ninavel erfinden. Pello konnte zwar allerhand schlussfolgern, aber nicht wissen, dass Kiran auf sich allein gestellt war. Das wäre vielleicht eine Möglichkeit.
»Eins noch«, sagte Dev, als er Kiran auf einen Felsblock half. »Was für Amulette du bei dir trägst, ist deine Sache. Aber ich warne dich: Wenn wir die Grenze überqueren, darfst du keinemächtigeren haben als einfache
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