Die Chroniken von Ninavel – Die Blutmagier
blieb ein paar Felsblöcke entfernt stehen und starrte Pello an, der sich aus der Rückenlage auf Hände und Knie erhob. »Was ist denn hier los, in Khalmets Namen?«
Kiran ballte die Fäuste, um das Zittern zu unterbinden. Seine Barriere hatte standgehalten. Er hatte keine Magie durchbrechen lassen, nichts, was Ruslan spüren konnte. Doch Pello hatte ihn berührt, als Kirans Kräfte aufflammten, und die hatten ihn glatt umgehauen. Wusste er nun, dass ihn ein Magier niedergestreckt hatte?
Pello kam taumelnd auf die Füße und blickte ihn in stummem Begreifen an. Kirans Herz kam ins Stottern.
Er weiß es.
SIEBEN
KIRAN
Das Ausmaß seiner Tat lähmte ihn. Die Zeit dehnte sich, als Pello mit wutverzerrtem Gesicht die Hand hob und auf ihn zeigte.
»Halte ihn gefälligst im Zaum, klar?«, schnauzte Pello Dev an. »Der lässt einen Todeszauber los, wenn ich ihm bloß helfen will. In Varkevia kann man dafür Blutzoll fordern.«
Kirans Gedanken wirbelten durcheinander wie ein aufgeschreckter Vogelschwarm. Das Begreifen in Pellos Augen, so schnell er es auch vertuscht hatte, war unmissverständlich gewesen. Pello wusste, wie knapp er dem Tod entronnen und dass dabei kein Amulett im Spiel gewesen war. Verschwieg er die Wahrheit jetzt aus Angst oder hatte er Devs Ahnungslosigkeit erkannt und hielt aus anderen Gründen den Mund?
Dev schnaubte herablassend. »Tatsächlich? Wir sind aber nicht in Varkevia. Wenn du von keinem Amulett gebissen werden willst, wie wär’s dann, einfach deine verdammten Pfoten bei dir zu behalten?« Und genauso wütend wandte er sich Kiran zu. »Wer hat dir gesagt, du darfst am See herumlungern, solange noch Arbeit für dich da ist? Los, bring deine faulen Beine in Bewegung.«
Schweigend kletterte Kiran den Felsen hinunter zu Dev. Wenigstens einer spielte gemäß der vereinbarten Rollen. Kiran schaute kurz über die Schulter zu Pello, der ihn mit forschendem Blick beobachtete. Kiran stellten sich die Nackenhaare auf. Die Hoffnung, Pello könnte seinen Zorn fürchten, zerstob. Wenn Pello auch nur halb so gerissen war, wie Dev behauptete, mussteer vermuten, dass Kiran Grund hatte, seine Magie zurückzuhalten. Denn andernfalls hätte er sie längst gegen ihn eingesetzt.
Pello sprang vom Felsen. »Du hast Glück, dass ich nicht nachtragend bin«, sagte er ohne den geringsten Sarkasmus.
Dev kniff die Augen zusammen. »Ich dagegen schon, und das solltest du dir merken.« Er und Pello starrten einander an, kalt und abschätzend. Schließlich wandte Dev sich ab und brachte Kiran mit einem Schubs auf den Rückweg zum Konvoi.
Mit knirschenden Schritten stolperte Kiran über das Geröll, während Dev dicht neben ihm blieb. Denkbare Konsequenzen gingen ihm durch den Kopf, eine unangenehmer als die andere. Wenn Pello Dev mit der Wahrheit konfrontierte, um ihn zu erpressen … Wenn er mit den Alathern einen Handel einging … oder schlimmer noch: Wenn Dev das Flüsteramulett nicht gefunden hatte … Kiran blieb fast das Herz stehen. Er fasste Dev an der Schulter.
»Hast du das Flüsteramulett unschädlich gemacht?«, zischte er ihm ins Ohr.
Dev schaute zum See zurück. Kiran folgte seinem Blick. Pello war weiter am Ufer entlang gewandert. Seine Flickenmütze tauchte ab und zu zwischen den Felsen auf. Dev zog Kiran in die Hocke unter eine überhängende Felsfläche.
»Ja, hab mich um das verdammte Ding gekümmert. Das ist völlig glatt gegangen.«
Kiran wurden vor Erleichterung die Knie weich. Die Katastrophe drohte zwar noch, aber nicht mehr unmittelbar. Ruslan würde nicht erfahren, wo er war.
»Aber du – was zum Teufel hast du mit Pello gemacht? Oh, ich kann den Mund halten, kein Problem – seit wann setzt man dabei einen Todeszauber ein? Bei Khalmets Hand, einen wie Pello reizt man nicht, oder willst du dich umbringen lassen? Und du hättest ihm auch gleich ein Schild vor die Nase halten können, auf dem steht: Ich bin kein einfacher Mann!«
Kiran erwiderte den aufgebrachten Blick. »Es war ein Versehen«, erklärte er angespannt. »Er hat mich erschreckt und ich habe reagiert.«
Was sein Entkommen nun möglicherweise vereiteln würde. Dev hatte gedacht, Pello werde ihn wegen seiner eigenen Schmuggelware nicht an die Alather verraten, aber diese Rechnung ging nun nicht mehr auf. Die Alather würden einem Schmuggler verbotener Amulette sicher gern vergeben, wenn er ihnen dafür einen ausländischen Magier auslieferte, der sich in ihr Land schleichen wollte. Kiran wurde flau.
Weitere Kostenlose Bücher