Die Chroniken von Ninavel – Die Blutmagier
Haushaltsamulette. Alle stärkeren, das Todesamulett zum Beispiel, musst du mir geben. Ich verstaue sie in einem speziell geschützten Behälter, in dem ich auch Brens Ware schmuggle.«
Bestürzt hielt Kiran inne. Er trug nur das von Lizaveta um den Hals, und das würde er auf keinen Fall ablegen. Es schützte ihn selbst vor den stärksten Spürzaubern. Aber dank Pello musste er sich jetzt schon wieder eine Lüge ausdenken. »Meinetwegen«, sagte er kurz angebunden.
Den Rest des Rückwegs sprachen sie kein Wort mehr. Devs Ankündigung erwies sich als richtig. Als die Sonne untergegangen war, wurde es sehr kalt. Kiran hatte noch nie so gefroren. Obwohl er so dicht wie möglich am Feuer saß und eine warme Mahlzeit im Bauch hatte und alle Kleidungsstücke übereinander anhatte, war er völlig durchgefroren.
Den anderen schien es ebenso zu gehen. Selbst Jerik kauerte dicht am Feuer. Die Stimmung beim Essen war gedämpft, aber vielleicht mehr, weil das freundschaftliche Geplänkel zwischen Cara und Dev fehlte, als wegen der Kälte. Kiran vermutete, dass Dev mehr darunter litt, als er zugeben wollte. Sein Gesichtsausdruck und Benehmen ließen kein Unbehagen erkennen, doch sein Blick ging zu Cara, sowie sie auf etwas anderes achtete.
Pello ließ sich zum Glück nicht blicken. Zweifellos hatte er inzwischen versucht, eine Nachricht über Kirans wahre Person an das Gegenstück des Flüsteramuletts zu senden, und wartete jetzt auf Antwort. Wie lange würde es dauern, bis er begriff, dass keine käme? Einen Tag? Zwei? Kiran müsste ihn vorher ansprechen, und zwar im Verborgenen. Keine leichte Aufgabe. Dev hatte einen leichten Schlaf, und tagsüber ließ er Kiran kaum aus den Augen. Vielleicht könnte Kiran ihm am Morgen entwischen, wenn sie das Lager abschlugen und überall Betrieb herrschte.
Seine Entschlossenheit geriet allerdings ins Wanken, wenner an Pellos scharfsinnige Augen und sein wissendes Grinsen dachte. Er würde sich gut überlegen müssen, womit er drohte, und dabei die größtmögliche Arroganz an den Tag legen.
Nun, in der Hinsicht verfügte er über ein ausgezeichnetes Vorbild. Sein Leben lang hatte er beobachtet, wie sich die Unbegabten unter Ruslans sengendem Blick duckten. Sicherlich würde er diese Mischung aus tiefster Verachtung und stärkstem Selbstvertrauen so gut nachahmen können, dass Pello die Bedrohung für echt hielt.
×
Der Vorreiterwagen fuhr rumpelnd aus dem Schatten des Kars heraus in die strahlende Vormittagssonne. Kiran zog seine Wollmütze aus und kehrte das Gesicht in die Sonne, um die Wärme zu genießen. Der Morgen war klar und bitter kalt gewesen. Zitternd hatte er seine Pflichten erledigt und sich nach Ninavels Hitze gesehnt.
Eine Gelegenheit, zu Pello zu gehen, hatte sich nicht ergeben. Dev war ihm nicht von der Seite gewichen, fast als ahnte er, was Kiran vorhatte. Beim Frühstück bestimmte Cara dann, dass Dev und Jerik am Abend jeder für sich auf Erkundung gehen sollten. Dev musste sich fügen, obwohl es ihm nicht passte. Kiran beschloss darauf, sein Vorhaben auf den Abend zu verschieben. Den ganzen Vormittag über stellte er sich vor, wie die Begegnung verlaufen könnte, und legte sich hundertfach sorgfältig formulierte Drohungen zurecht.
Abrupt hielt der Wagen an und warf Kiran beinahe vom Kutschbock. Er griff nach einem Vorratssack, um das Gleichgewicht zurück zu erlangen. »Wir halten schon wieder?« Er konnte einen gequälten Tonfall nicht vermeiden. Seit der Konvoi an der Südflanke des Beckens entlangkroch, hatten sie schon so oft angehalten, dass er aufgehört hatte zu zählen. Auf dieseWeise würde es noch Wochen dauern, bis sie die Grenze erreichten.
»Hab dir doch gesagt, dass auf dieser Strecke viel instandzusetzen sein wird.« Dev stellte sich in die Steigbügel und schaute über die Kistenstapel auf dem Wagen. »Wir sind an der Desadi-Rinne angelangt. Die ist breit und noch voll Schnee. Die heutige Mannschaft wird ungefähr eine Stunde brauchen, um den Schnee festzustampfen und Planken auszulegen, damit die Wagen weiterfahren können.« Dev ließ sich wieder in den Sattel sinken und begann, ganz gemütlich die gerissene Kordel an einem seiner Wasserschläuche zu flicken. Seine gescheckte Stute stand geduldig mit halb gesenkten Lidern da.
Kiran lehnte sich gegen einen Sack. Über ihnen ragten dick verschneite Felsen auf. Der Himmel war strahlend blau, ein starker Kontrast zum blendenden Weiß des Kammes. An dem Steilhang unterhalb der Straße reckten
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