Die Chroniken von Waldsee Trilogie Gesamtausgabe: Dämonenblut Nachtfeuer Perlmond (German Edition)
Rande, dass Gonarg sich eilig zurückzog. Aber Rowarn fühlte sich auf einmal nicht mehr bedroht. Er zuckte mit keiner Wimper, als sich schließlich etwas an den Rand des Lichts schob und langsam darüber hinaus, kaum zu erkennen durch die tiefe Schwärze, aus der es bestand. Sehr lange, dünne Beine, weit abgespreizt vom Körper und einmal geknickt, um ihn anzuheben. Der Leib war lang und schmal und wie von einer Rüstung umschlossen. Darüber ragte an einem langen, nach vorn gebogenen Schwanz ein mächtiger, krummer Stachel. Der Kopf war von einer großen Hornplatte wie mit einem Schild bedeckt, und darunter lagen zwei handtellergroße, dunkle Augen, die Rowarn ansahen . Da der Großteil des Körpers noch im Dunkel verborgen war, konnte Rowarn die Größe des Wesens kaum einschätzen. Es musste allerdings mindestens acht Pferdelängen messen, wenn die Proportionen stimmen sollten.
Zwei lange, scherenartige, bewegliche Greifarme streckten sich langsam aus.
Rowarn blieb reglos. Er fühlte, dass dieses Wesen genauso ein Gefangener war wie er, und dass es keine feindlichen Absichten hegte. Die Bannmeile rund um den Graben war vermutlich ein natürlicher Schutz zur Abwehr möglicher Feinde. Die Ausstrahlung war Rowarn so vertraut, dass das Wesen wohl dämonischer Natur war.
Und er begriff, warum es hier war, und welcher Aufgabe es nachkommen musste. Es war der Grund für Angmors Schwäche, und sicher ebenso Tamrons und all der anderen! Es saugte ihnen allen die Lebenskraft ab, und den Mächtigen dazu die Magie. So wurden aus den Kämpfern des Regenbogens Dubhani, die Lichtlosen.
Dies hier war das große Geheimnis von Sternfall. Wahrscheinlich bezog Femris von dem Tier Macht für sich, weswegen es mit Kometenstaub gefüttert werden musste, um nicht selbst als leer gesaugtes Opfer zu enden. Was es den Gefangenen abzog, reichte sicher nicht für einen unsterblichen Mächtigen.
Einer der Greifarme hielt auf Rowarns Hand zu. Er könnte mühelos den Körper des jungen Mannes packen und mit sich ziehen, wie ein Vogel einen Wurm aufpickt. Rowarn hielt still, als eine Zange überraschend behutsam ganz vorn an der Spitze den vergleichweise winzigen Beutel umschloss, und ließ dann los. Das Dämonentier zog die Arme langsam zurück.
»Ich weiß nicht, ob du mich verstehst«, flüsterte Rowarn. »Aber ich werde dich hier rausholen, das verspreche ich dir. Sobald ich dazu in der Lage bin, also wahrscheinlich erst nach diesem Krieg. Aber ich vergesse dich nicht und das Unrecht, das dir angetan wurde.«
Ein zartes, hohes Zirpen erklang.
Ich bin ein Diener der Finsternis , hallte es in seinem Kopf. Die dunklen Augen sahen ihn immer noch an.
»Nein. Du bist ein Gefangener, der Schmerzen und Leid erdulden muss. Wie lange bist du schon hier?«
Solange ich denken kann.
Das Wesen war sich nicht einmal seiner Größe und Kraft bewusst. Es könnte das ganze Lager mit nur wenigen Schlägen zerstören, wenn es wollte. Aber es kannte keine Wut, keine Sehnsucht, nicht einmal den Wunsch nach Freiheit. Nur stumpfe Resignation, weil es zeitlebens unterdrückt und die Lebenskraft aus ihm gesaugt wurde. Rowarn hatte es ja bei Angmor erlebt, wie schwach und willenlos er geworden war.
Wenn eines Tages das Absaugen unterbrochen würde, weil Femris vielleicht nicht mehr war ... nicht auszudenken, was dann geschehen mochte. Wenn das Dämonentier begriff, was ihm angetan worden war, weil sich seine Gedanken klärten, weil die Kräfte in ihm wuchsen. Es könnte auf einen beispiellosen Rachefeldzug gehen und eine große Gefahr für das ganze Land Valia werden.
»Du wirst frei sein«, wiederholte Rowarn sein Versprechen. »Gedulde dich und warte, bis ich zurückkehre. Darum bitte ich dich.«
Ich verstehe nicht. Aber ich tu, was du von mir verlangst. So ist es immer.
»Gut«, stieß Rowarn hervor.
Darf ich jetzt essen? Ich habe großen Hunger.
»Aber sicher. Genügt es dir denn?«
Das ist, was ich bekomme.
Er wartete, bis das Dämonentier wieder im lichtlosen Abgrund verschwunden war. Dann robbte er ein Stück zurück und versuchte, aufzustehen. Aber nun war er erneut im magischen Abwehrbereich des Wesens, und er kam nur ein paar Schritte weit, bevor er wieder ohnmächtig wurde.
Gonarg brachte Rowarn mit einer kräftigen Ohrfeige zu sich. Er lag wieder am Rand des Lagers, im tiefen Schatten der Felsen. »Nun weißt du, was euch blüht«, sagte der Einäugige mit höhnischer Stimme. »Allerdings muss ich dir gratulieren. Du hast
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