Die Chroniken von Waldsee Trilogie Gesamtausgabe: Dämonenblut Nachtfeuer Perlmond (German Edition)
Erfahrung vom letzten Mal – und eine Steigerung noch dazu, was er nie für möglich gehalten hätte. Diese Pein übertraf alles bisher Dagewesene, und er erschlaffte völlig, war keiner Gegenwehr oder auch nur irgendeiner Regung mehr fähig. Ein Funkenregen ging vor seinen Augen nieder, und in seinen Ohren pfiff und rauschte es. Er verlor wie beim ersten Mal die Kontrolle über seinen Körper, seine Blase entleerte sich, und Speichel rann aus seinem Mund. Als ob glühende Nägel in seine Eingeweide getrieben würden, so kam es ihm vor. Seine Adern traten hervor, das Blut kochte in ihm, und er hatte das Gefühl, als würden jeden Moment seine Augen aus den Höhlen springen.
Als Ritter war er es gewohnt, Schmerzen zu ertragen, doch dagegen konnte er sich nicht wappnen. Vor allem, weil der Schmerz beständig wechselte, bevor er sich daran gewöhnen konnte.
Heriodon beugte sich über ihn, sein Gesicht war ganz nah, als seine Stimme heiser flüsternd durch das Tosen aus brennenden Qualen drang: »Ich glaube zu wissen, wer du bist, zumindest zum Teil. Doch ich müsste sehr viel mehr tun, um die ganze Wahrheit aus dir herauszubekommen. Und das kann ich nicht, denn mein Herr Femris wird dich völlig unversehrt wünschen, wenn er erst von dir erfährt.« Die Fingerspitzen der linken Hand berührten zart, fast liebevoll Rowarns Gesicht. Dem jungen Mann war dennoch, als würde ihm an dieser Stelle langsam mit einer glühenden Zange ein Zahn gezogen. »Bedauerlich. Ich kann dich nicht anrühren, dabei könnte ich von dir eine Menge über die Leidensfähigkeit lernen. Ich bin ein Meister des Schmerzes, junger Ritter. Das war stets meine Leidenschaft, denn Schmerz schenkt so viele Facetten an Reichtum und Erfüllung. Er wird nie Routine, langweilig und stumpf, sondern überrascht einen stets aufs Neue. Ich bin fasziniert davon, schon seit meiner frühen Jugend. Du ahnst nicht, was dir entgeht! Wir könnten eine wunderbare Zeit miteinander verleben. Ich würde dir etwas schenken, was einzigartig ist, aus Dankbarkeit für das Geschenk, das du bist. Schon seit langer Zeit traf ich niemanden mehr wie dich. Doch das Ziel des Unsterblichen geht vor. Ich bin sein Soldat, und die Pflicht steht über allem.«
Er ließ Rowarn los, der haltlos zu Boden sackte. Sein Gesicht war tränenüberströmt, der Mund aufgerissen, doch kein Laut kam über seine trockenen Lippen. Nur in seinem Inneren schrie er so gellend, dass es selbst das Rauschen in seinen Ohren übertönte. Solch einen namenlosen Schmerz hatte er noch nie erlebt, obwohl er geglaubt hatte, bereits alle Höhen der Empfindung erklommen zu haben, und er hallte immer noch in ihm nach.
Heriodon beobachtete ihn die ganze Zeit mit einem warmen Glanz in den Augen.
Später, als er endlich wieder denken konnte, fällte Rowarn eine Entscheidung; auch um sich abzulenken und sich Mut zu machen: Nachtfeuer konnte warten. Heriodon war vor ihm an der Reihe.
Rowarn fühlte sich fast wie neugeboren, als der Schmerz abrupt verschwand, ohne weitere Nachwirkungen. Wieder einmal war er von Warinen in seine Zelle geschleppt worden, doch er gewann seine Fassung diesmal schneller zurück und verlangte, herausgelassen zu werden, um seiner Arbeit nachzugehen. Vor allem wollte er nach Angmor sehen und versuchen, zu Tamron zu gelangen.
Der Warine, der schließlich auf sein Rufen hin kam, fand es erstaunlich. »Du hättest diesen Tag frei gehabt, warum nimmst du das nicht in Anspruch?«
»Ich bin es nicht gewohnt, frei zu haben«, versetzte Rowarn. »Früher ... bevor ich meine Heimat verließ, hatte ich immer frei. Doch das ist vorbei.«
»Du bist verrückt«, bemerkte der Soldat. »Nicht einmal ein Dubhani würde so weit gehen.«
»Und ich gehe noch weiter.« Rowarn stieß das Gitter auf, nachdem das Schloss geöffnet war, und stürzte sich als Erstes ins Wasser. Die Kälte tat ihm gut und betäubte ihn, die Feuchtigkeit spülte zumindest äußerlich den Schmutz fort.
Dann erledigte er seine Aufgaben und nutzte einen günstigen Moment, um zu Angmor zu gehen. Die Wachen störten sich nicht daran; inzwischen wurde er schon fast wie einer der Ihren behandelt. Er hatte sich bei ihnen durch seine unnachgiebige, zähe Ausdauer und seinen starken Willen Respekt eingehandelt. Aber natürlich würden sie nie so weit gehen, ihn zu unterstützen, da brauchte Rowarn sich nichts vorzumachen.
Angmor war heute beschwerdefrei, doch er wirkte bei weitem nicht mehr so kräftig. Er kam sofort ans Gitter, als
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